Steuerschuldnerschaft bei Lieferung von Edelmetallen

Zum 1.1.2015 waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Übertragung der Steuerschuldnerschaft bei der Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen verändert worden. Die Finanzverwaltung nimmt jetzt zu den Änderungen Stellung und gibt ausführliche Hinweise zu Übergangsregelungen und der Abwicklung bei Anzahlungsfällen.

Die rechtliche Problematik
Zum 1.10.2014 waren durch das sog. „Kroatiengesetz“ die Vorschriften zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger („Reverse-Charge-Verfahren“) u. a. auch auf die Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen nach einer neuen Anlage 4 zum UStG erweitert worden. Da nach dieser Regelung auch Verarbeitungsprodukte und Lieferungen von Kleinmengen unter das Reverse-Charge-Verfahren gefallen wären, war die Regelung zum 1.1.2015 durch das „Zollkodexanpassungsgesetz“ durch folgende Maßnahmen angepasst worden:

  • Einführung einer Mindestumsatzgrenze von 5.000 EUR. Erst wenn der Leistungsempfänger im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens 5.000 EUR aufwendet, kann die Steuerschuld auf ihn übergehen.
  • Überarbeitung der Anlage 4 zum UStG; neben der Streichung von Gold und Selen wurden auch die Verarbeitungsprodukte weitestgehend aus der Anlage 4 zum UStG gestrichen.

Wichtig: Draht, Bänder, Folien, Bleche und andere flachgewalzte Erzeugnisse, Profile sowie Stangen (Stäbe) sind nicht mehr in der Anlage 4 zum UStG enthalten.

Das BMF passt den erst mit Schreiben vom 26.9.2014 (BStBl 2014 I S. 1297) eingeführten Abschn. 13b.7a UStAE an die seit dem 1.1.2015 geltende Rechtslage bei der Lieferung von Edelmetallen und unedlen Metallen an.

Da zum 1.1.2015 eine Mindestentgeltsgrenze von 5.000 EUR in § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG aufgenommen worden war, die vom Wortlaut her der schon in § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG enthaltenen Entgeltsgrenze bei der Lieferung von Mobilfunkgeräten, integrierten Schaltkreisen, Tablet-Computern sowie Spielekonsolen entspricht, verweist die Finanzverwaltung zur inhaltlichen Anwendung der neuen Entgeltsgrenze für edle und unedle Metalle auf Abschn. 13b.7 Abs. 3 UStAE.

Bei der Prüfung der 5.000 EUR-Grenze muss auf alle im Rahmen eines zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorgangs gelieferten Gegenstände abgestellt werden. Die Aufteilung einer einheitlichen Bestellung in mehrere Teillieferungen mit Teilrechnungen führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Auch Anzahlungen für eine später auszuführende Lieferung führen unabhängig von der Höhe der Anzahlung schon zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger, wenn das Gesamtentgelt mindestens 5.000 EUR betragen soll.

Hat das Entgelt mindestens 5.000 EUR betragen, ändert sich an der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nichts, wenn es später zu einer Entgeltsminderung kommt (z. B. Skontoabzug, Gewährung von Rabatten). Dies gilt auch, wenn es später zu einer Teilrückabwicklung kommt und dadurch das zu entrichtende Entgelt unter 5.000 EUR fällt.

Praxis-Tipp: Ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang liegt immer dann vor, wenn die Lieferungen im Rahmen eines einheitlichen Erfüllungsgeschäfts ausgeführt werden, selbst wenn mehrere Aufträge vorliegen oder mehrere Rechnungen ausgestellt werden.

Die Finanzverwaltung passt weiterhin die in Abschn. 13b.7a Abs. 1 UStAE enthaltene Erläuterung zu den einzelnen Edelmetallen bzw. unedlen Metallen an die geänderte Gesetzesfassung an. Gegenstand der Änderungen ist durchgängig die Herausnahme der Verarbeitungsprodukte (Draht, Stangen, Bänder, Folien, Bleche und andere flachgewalzte Erzeugnisse und Profile aus unedlen Metallen).

Wichtig: Selen und Gold sind vollständig aus der Aufzählung in Abschn. 13b.7a Abs. 1 UStAE gestrichen worden, da es sich nicht mehr um Produkte i. S. d. Anlage 4 zum UStG handelt. Gold unterliegt aber weiterhin – soweit der Goldfeingehalt mindestens 325/1.000 beträgt – dem Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG.

Breiten Raum nehmen in dem Schreiben die Anwendungsregelungen ein. Grundsätzlich sind die Vorschriften auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2014 ausgeführt worden sind. Ausdrücklich weist die Finanzverwaltung darauf hin, dass im Fall der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger

  • eine Rechnung ausgestellt werden muss, in der der Nettobetrag – ohne einen gesonderten Steuerausweis – anzugeben ist und
  • der Hinweis „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ enthalten sein muss.

Wichtig: Zu beachten ist, dass die Finanzverwaltung schon zu der zum 1.10.2014 eingeführten Altfassung Übergangsregelungen und Nichtbeanstandungsregelungen getroffen hatte und eine generelle Nichtbeanstandungsregelung (die Unternehmer können weiterhin von der Steuerschuld des leistenden Unternehmers ausgehen) bis zum 30.6.2015 getroffen hat. Damit überschneiden sich jetzt bei der Lieferung der Edelmetalle und unedlen Metalle diverse Nichtbeanstandungsregelungen, die nicht mehr einfach zusammenzufassen sind. Dem betroffenen Unternehmer kann nur geraten werden, sich im Detail mit den Übergangsregelungen auseinanderzusetzen.

Aus Vereinfachungsgründen kann bei der Lieferung der Edelmetalle und unedlen Metalle, die die Voraussetzung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG erfüllen (Leistungsempfänger ist zum Zeitpunkt der Lieferung Steuerschuldner), wie folgt verfahren werden:

  • Hat der Unternehmer vor dem 1.1.2015 eine Anzahlung für eine ab dem 1.1.2015 ausgeführte Lieferung erhalten und dafür eine Rechnung mit gesonderter USt ausgestellt, ist diese Rechnung zu berichtigen. Es wird aber nicht beanstandet, wenn der leistende Unternehmer die Anzahlungsrechnung nicht berichtigt und in der Schlussrechnung nur den um das vereinnahmte Entgelt geminderten Betrag angibt, wenn die Anzahlung vom leistenden Unternehmer in zutreffender Weise besteuert worden ist.
  • Wird für eine vor dem 1.1.2015 ausgestellte Abschlagsrechnung für eine erst in 2015 durchgeführte Lieferung die Anzahlung erst ab dem 1.1.2015 vereinnahmt, ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner; eine dem entgegenstehende Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ist zu berichtigen.
  • Wird eine Rechnung nach dem 31.12.2014 ausgestellt, für eine Lieferung, die vor dem 1.1.2015 ausgeführt worden ist, konnten die Vertragsparteien noch einvernehmlich davon ausgehen, dass der leistende Unternehmer Steuerschuldner ist (Nichtbeanstandungsregelung). Voraussetzung ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Weise versteuert wurde. In diesen Fällen bleibt der liefernde Unternehmer Steuerschuldner nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG.
  • Bei Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung und der Notwendigkeit der Berichtigung nach dem 31.12.2014 einer vor dem 1.1.2015 erstellten und bezahlten Rechnung über Anzahlungen, kann wie folgt verfahren werden: Wurde die Anzahlungsrechnung vorher nicht berichtigt, erfolgt eine Berichtigung nur insoweit, als der überzahlte Betrag zurückgezahlt wurde. Der Leistungsempfänger wird bei Anwendung der Nichtbeanstandungsregelung nur insoweit zum Steuerschuldner, wie ein weiteres Entgelt vereinnahmt wird.

Ist zum Zeitpunkt der Lieferung der leistende Unternehmer der Steuerschuldner (die Lieferung unterliegt nicht dem Reverse-Charge-Verfahren), ist wie folgt zu verfahren:

  • Hat der Unternehmer vor dem 1.1.2015 eine Anzahlung für eine ab dem 1.1.2015 ausgeführte Lieferung erhalten und dafür eine Rechnung ohne gesonderte USt ausgestellt, ist die Rechnung im Voranmeldungszeitraum der Ausführung der Lieferung zu berichtigen. Es wird aber nicht beanstandet, wenn der leistende Unternehmer die Anzahlungsrechnung nicht berichtigt und in der Schlussrechnung den Gesamtumsatzsteuerbetrag beim Leistungsempfänger anfordert. Die Anzahlungen sind nur mit dem Nettobetrag abzusetzen. Ist der Leistungsempfänger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt, wird es nicht beanstandet, wenn der USt-Berechnung nur das um die Anzahlungen verminderte Entgelt zugrunde gelegt wird. Dazu muss aber der Leistungsempfänger die Anzahlungen in zutreffender Weise versteuert haben; die Anzahlungsrechnungen sind nicht zu berichtigen.
  • Wird für eine vor dem 1.1.2015 ausgestellte Abschlagsrechnung für eine erst in 2015 durchgeführte Lieferung die Anzahlung erst ab dem 1.1.2015 vereinnahmt, ist der leistende Unternehmer Steuerschuldner; wurde eine Rechnung ohne gesondertem Steuerausweis ausgestellt, ist diese zu berichtigen.

Wichtig: Grundsätzlich muss aber beachtet werden, dass diese Vereinfachungsregelungen durch die grundsätzliche Übergangsregelung überlagert werden: Die Vertragsparteien können bei den Lieferungen, die bis zum 30.6.2015 ausgeführt werden, noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers ausgehen. Voraussetzung dafür ist, dass der Umsatz vom leistenden Unternehmer in zutreffender Weise versteuert wird. Ebenso wird es bis zum 30.6.2015 nicht beanstandet, wenn die Vertragsparteien einvernehmlich von der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger ausgehen, obwohl die gelieferten Gegenstände nicht (mehr) in der Anlage 4 zum UStG enthalten sind.

Konsequenzen für die Praxis

Eine von Anfang an erkennbar nicht umsetzbare Regelung zur Übertragung der Steuerschuldnerschaft musste vom Gesetzgeber binnen kürzester Frist angepasst werden. Folge der Beratungsresistenz des Gesetzgebers und seiner mittlerweile teilweise erschreckenden Praxisferne ist ein Geflecht kaum mehr darstellbarer Vereinfachungsregelungen und Nichtbeanstandungsregelungen. Im Ergebnis kann für alle bis zum 30.6.2015 ausgeführten Lieferungen weiterhin die Steuerschuldnerschaft des liefernden Unternehmers angenommen werden, wenn dieser die USt in zutreffender Höhe anmeldet und abführt. Umgekehrt kann für die Gegenstände, die in der ersten Fassung der Anlage 4 (1.10.2014 - 31.12.2014) enthalten waren, in der seit dem 1.1.2015 gültigen Fassung aber nicht mehr aufgeführt sind, bis 30.6.2015 trotzdem von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens) ausgegangen werden.

Es muss aber individuell geprüft werden, ob die Ausnutzung der Übergangsregelung für die Vertragsparteien sinnvoll ist, da sie jeweils davon abhängig ist, dass der andere Vertragspartner dann die USt in zutreffender Höhe bei seinem Finanzamt anmeldet und abführt. Da dies in der Praxis kaum nachweisbar sein wird, sollte die Vorgehensweise bei den betroffenen Umsätzen so bald wie möglich der aktuellen, seit 1.1.2015 geltenden Fassung des Gesetzes angepasst werden.

BMF, Schreiben v. 13.3.2015, IV D 3 – S 7279/13/10003