Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen

Die Finanzverwaltung hat einen geänderten Anwendungserlass im Zusammenhang mit digitalen Grundaufzeichnungen und deren Schutz vor Manipulationen bekannt gegeben.

Mit dem Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.2016 (BGBl. 2016, S. 3152) wurde § 146 Abs. 1 AO neu gefasst. Die am 29.12.2016 in Kraft getretenen Änderungen erforderten auch eine grundlegende Anpassung des bisherigen AEAO zu § 146, insbesondere zu der Einzelaufzeichnungspflicht. Nachfolgend werden nur die Punkte aufgeführt, die auch inhaltlich neu gefasst worden sind.

Allgemeines

Zur näheren Bestimmung der Begriffe "vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet bzw. unveränderbar" wird auf das BMF, Schreiben v. 14.11.2014, BStBl 2014 I S. 1450 unter den Rz. 36 bis 60 verwiesen.

Problematisch kann die zulässige Einsichtnahme durch die Finanzämter dann sein, wenn auch Daten aus gesetzlich geschützten Bereichen vorhanden sind, wie dies vor allem bei Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzten der Fall ist. Hier verweist das BMF weiterhin darauf, dass es allein Aufgabe des Steuerpflichtigen sei, seine Unterlagen so zu organisieren, dass geschützte Daten nicht tangiert werden.

Ausdrücklich mit aufgenommen worden – aber nicht neu – ist die Forderung, dass buchführungspflichtige Steuerpflichtige für Bargeldbewegungen ein Kassenbuch (oder aneinander gereihte Kassenberichte) zu führen haben.

Grundsätze der Einzelaufzeichnungspflicht

Erstmals enthalten sind die bereits bisher allgemein geltenden Grundsätze zu einer Einzelaufzeichnungspflicht. Ein einmalige Aufzeichnung genügt, auch wenn mehrere Normen entsprechende Aufzeichnungen anordnen (z. B. §§ 238 ff. HGB und § 22 UStG). Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung gilt für jeden, der eine gewerbliche, berufliche oder land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausübt und gilt unabhängig von der Gewinnermittlungsart. Bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (EÜR) muss zumindest die Höhe der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch geordnete und vollständige Belege nachgewiesen werden.

Eine Einzelaufzeichnung liegt nur vor, wenn grundsätzlich jeder einzelne Geschäftsvorfall unmittelbar nach seinem Abschluss und in einem Umfang aufgezeichnet wurde, der einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit eine lückenlose Überprüfung seiner Grundlagen, seines Inhalts, seiner Entstehung und Abwicklung und seiner Bedeutung für den Betrieb ermöglicht. Dies erfordert die Angabe des Geldbetrags, aber auch die Art des Geschäfts und den Namen des Vertragspartners.

Die Grundaufzeichnungen müssen jederzeit eindeutig in Einzelpositionen aufgegliedert werden können. Festzuhalten sind

  • der verkaufte, eindeutig bezeichnete Artikel,
  • der endgültige Einzelverkaufspreis,
  • der dazugehörige Umsatzsteuersatz und -betrag,
  • ggf. vereinbarte Preisminderungen,
  • die Zahlungsart,
  • das Datum und der Zeitpunkt des Umsatzes sowie
  • die verkaufte Menge bzw. Anzahl.

Diese Daten sind zeitnah aufzuzeichnen, also unmittelbar nach Eintritt des Geschäftsvorfalls. Jedoch muss nicht jeder Geschäftsvorfall einzeln gebucht werden; ebenso kann der Steuerbetrag in der Rechnung einer Summe ausgewiesen werden (§ 32 UStDV) bzw. das Entgelt und der Steuerbetrag zusammengefasst werden (§ 33 Satz 1 Nr. 4 UStDV). Auch können Waren mit demselben Einzelverkaufspreis u. U. in einer Warengruppe erfasst werden.

Das verwendete Kassensystem (elektronische Kasse oder offene Ladenkasse) ändert an der Pflicht zur Einzelaufzeichnung nichts. Zum Umfang und den Erfordernissen im Zusammenhang mit einem elektronischen Aufzeichnungssystem wird auf § 146a AO bzw. § 1 KassenSichV verwiesen.

Branchenspezifische Mindestaufzeichnungspflichten sind zu berücksichtigen. Andererseits kann es entbehrlich sein, zu jedem einzelnen Geschäftsvorfall die Kundendaten aufzuzeichnen, sofern das Geschäft auch ohne diese Angaben nachvollziehbar und nachprüfbar ist.

Bei einem Systemausfall des elektronischen Aufzeichnungssystems (z. B. Stromausfall, technischer Defekt), sind Aufzeichnungen auf Papier zulässig. Die Ausfallzeit ist zu dokumentieren und zu belegen.

Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht

Eine Einzelaufzeichnung findet ihre Grenze an der Zumutbarkeit. Stößt dies technisch, betriebswirtschaftlich oder praktisch an Grenzen oder ist dies unmöglich, kann von einer Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls abgesehen werden. Der Steuerpflichtige ist hierzu nachweispflichtig.

Allgemein anerkannt ist, dass bei einem Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung eine Einzelaufzeichnungspflicht unzumutbar ist, sofern nur eine offene Ladenkasse besteht (Näheres dazu in Tz. 2.2.5 des Schreibens). Auch bei der Erbringung von Dienstleistungen kann eine Einzelaufzeichnung ggf. unzumutbar sein (vgl. dazu Tz. 2.2.6). Anders jedoch ist die Sachlage bei Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems; hier gilt die Einzelaufzeichnungspflicht generell.

Unter Tz. 2.2.3 finden sich Ausführungen für Fälle, in den mehrere elektronische Aufzeichnungssysteme oder mehrere Geschäftskassen verwendet werden oder diese in räumlich oder organisatorisch eindeutig abgrenzbaren Bereichen stehen, ebenso wie zu Sonder- und Nebenkassen.

Auch Einzeldaten einer elektronischen Waage, welche ebenfalls einzeln aufzuzeichnen und aufzubewahren sind, wird angesprochen. Zeigt eine Waage hingegen nur Gewicht und/oder den Preis an und speichert sie diese Werte nicht, entfällt eine Aufzeichnungspflicht. Wichtig ist, dass bei einer Waage, welche die Voraussetzung einer elektronischen Registrierkasse erfüllt, die Verwendung einer offenen Ladenkasse unzulässig ist.

Aufzeichnungspflichten bei offener Ladenkasse

Nach wie vor besteht keine Pflicht zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems, eine offene Ladenkasse bleibt zulässig. Die Einzelaufzeichnungen müssen dann durch eine vollständige und detaillierte Erfassung aller baren Geschäftsvorfälle in Form eines Kassenbuches erfolgen.

Wird ein Kassenbericht zur Ermittlung der Tageslosung gefertigt, kann die Einzelaufzeichnung auch durch die geordnete (nummerierte) Sammlung aller Barbelege gewährleistet sein. So ist ein Kassenbericht mit Nachweis aller Bareinnahmen insbesondere erforderlich, wenn eine Einzelaufzeichnung unzumutbar ist. Der Kassenbericht umfasst den gezählten Kassenendbestand jedes Geschäftstages, den davon abzuziehenden Kassenendbestand des Vortages sowie die Minderung um Bareinlagen (laut Eigenbeleg). Hinzuzurechnen sind sodann alle Ausgaben und Barentnahmen (laut Eigenbeleg). Nicht erforderlich ist ein sog. Zählprotokoll, also eine Auflistung aller Geldscheine und -münzen mit Angabe der Stückzahl (BFH, Beschluss v. 16.12.2016, X B 41/16, BFH/NV 2017 S. 310).

Zu beachten ist jedoch, dass Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten sind. Ausnahmsweise kann eine Aufzeichnung auch erst am nächsten Tag genügen, wenn dies zwingende geschäftliche Gründe hat. Handelt es sich um Kassen ohne Verkaufspersonal (z. B. Fahrscheinautomaten, Warenautomaten oder Gemüseverkauf am Feldrand) ist eine Auszählung erst am Tag der Leerung unschädlich.

Verzögerungsgeld

Kommt es bei einer Außenprüfung zu Mitwirkungsverstößen, kann ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden. Das gilt nicht nur für eine im Ausland geführte oder aufbewahrte elektronische Buchführung. Auch eine mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds bei fortdauernder Nichtvorlage von Unterlagen ist möglich.

DV-gestützte Buchführung und Aufzeichnungen

Die Ausführungen unter Tz. 5 zur sog. “Offene-Posten-Buchhaltung” entsprechen vollständig den bisherigen Ausführungen in AEAO zu § 146, Nr. 5 und werden deshalb nicht weiter dargelegt.

BMF, Schreiben v. 19.6.2018, IV A 4 - S 0316/13/10005 :053.