Einkommensprüfung bei der Grenzpendlerbesteuerung

Welche Besonderheiten bei der Prüfung der Einkommensgrenzen in Fällen der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht zu beachten sind, wenn das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung ausgeübt wird, stellt die OFD Niedersachsen in einer Verfügung dar.

Im Ausland ansässige Personen, die in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort verfügen, dort aber steuerbare Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielen, können auf Antrag der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht unterfallen (sog. Grenzpendlerbesteuerung nach § 1 Abs. 3 EStG). Diese Möglichkeit steht ihnen aber nur offen, sofern ihre Einkünfte im Kalenderjahr

  • mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder
  • ihre nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag (derzeit: 8.652 EUR) nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze).

Flankierend dazu regelt § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG, dass EU-/EWR-Staatsangehörige zusammen mit ihrem in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder in der Schweiz lebenden Ehegatten eine Zusammenveranlagung mit Splittingtarif erwirken können. Bei der Prüfung der vorgenannten Einkommensgrenzen müssen dann die Einkünfte beider Ehegatten herangezogen werden; zudem muss der Grundfreibetrag verdoppelt werden (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG).

Neue OFD-Verfügung

Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen (OFD) stellt mit Verfügung vom 16.8.2016 dar, welche Besonderheiten bei der Einkommensberechnung zu beachten sind. Danach gilt:

Einstufige Prüfung der Einkommensgrenzen

Die OFD weist darauf hin, dass Eheleute für die Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG bislang eine zweistufige Prüfung der Einkommensgrenzen durchlaufen mussten: Vor der Verdoppelung des Grundfreibetrags und der Einbeziehung der Einkünfte beider Ehegatten in die Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen musste vorab für jeden Ehegatten isoliert geprüft werden, ob er mit seinen Einkünften den einfachen Grundfreibetrag übersteigt (R 1 Satz 3 EStR 2012).

Der BFH hat sich jedoch mit Urteil vom 6.5.2015 (I R 16/14) für eine einstufige Prüfung ausgesprochen. Nach Gerichtsmeinung müssen für die Frage, ob Ehegatten in Fällen der fiktiven unbeschränkten Einkommensteuerpflicht das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung ausüben können, lediglich die zusammengerechneten Einkünfte beider Ehegatten und der doppelte Grundfreibetrag betrachtet werden.

Hinweis: Das Urteil wurde von der Finanzverwaltung mittlerweile im Bundessteuerblatt II veröffentlicht (BStBl 2015 II S. 957), sodass es allgemein anwendbar ist.

Weitere Verfahrensfragen

Die OFD weist weiter darauf hin, dass bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren die Steuerklasse III vergeben werden kann, wenn die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung vorliegen (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 38b Abs. 1 Satz 3 EStG). In diesen Fällen ist für die Ehegatten später allerdings eine Pflichtveranlagung für das Kalenderjahr durchzuführen. Die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte müssen in diesen Fällen dem Progressionsvorbehalt unterzogen werden.

Stellt das Finanzamt nachträglich fest, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht nicht vorgelegen haben, muss es eine Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht vornehmen; in diesen Fällen ist der Progressionsvorbehalt jedoch nicht anzuwenden.

Details zur Einkünfteermittlung

Bei der Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG muss zunächst die Summe der Welteinkünfte ermittelt werden. Sämtliche Einkünfte sind dabei nach deutschem Recht zu ermitteln - unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden. Anschließend sind diese Welteinkünfte aufzuteilen in Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen und Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Hinweis: Auszuklammern sind bei der Prüfung der Einkommensgrenzen solche Einkünfte, die in Deutschland steuerfrei sind oder die aufgrund zwischenstaatlicher oder multilateraler Vereinbarungen von nationalen Steuern der jeweiligen Staaten befreit sind. Unberücksichtigt bleiben bei der Einkünfteermittlung zudem nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, soweit vergleichbare inländische Einkünfte steuerfrei sind.

In die Berechnung einzubeziehen sind allerding nicht der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte, wenn diese im Ausland besteuert werden - auch wenn vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind.

Besonderheit bei beschränkt besteuerten Einkünften

Inländische Einkünfte, die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, wie z.B. Dividenden oder Lizenzgebühren, gelten bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend. Sie müssen jedoch in die inländische Einkommensteuerveranlagung einbezogen werden.

Kürzung des Grundfreibetrags

Bei der Prüfung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze muss der Grundfreibetrag gekürzt werden, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Steuerbürgers notwendig und angemessen ist. Sofern Ehegatten neben ihren Wohnsitzen in Staaten mit verschiedener Ländergruppeneinteilung noch einen gemeinsamen ehelichen Wohnsitz haben, muss der Grundfreibetrag für beide Ehegatten nach dem Länderschlüssel des Staates bemessen werden, in dem der gemeinsame Familienwohnsitz begründet wurde. Sofern ein gemeinsamer (Ehe-)Wohnsitz nicht ermittelbar ist, muss jedem Ehegatten der Grundfreibetrag in der Höhe zugerechnet werden, wie es nach den Verhältnissen im jeweiligen Ansässigkeitsstaat angemessen ist.

OFD Niedersachsen, Verfügung v. 16.8.2016, S 2104 - 3 - St 213