BMF: Verzichtser­klä­rung zur Umsatzsteu­er­be­frei­ung

Das BMF nimmt zu der Frage Stellung, bis wann der Verzicht auf eine Umsatzsteuerbefreiung erklärt bzw. widerrufen werden kann. Die Finanzverwaltung übernimmt dabei die Rechtsauffassung des BFH. Das hat Vor- und Nachteile für die Steuerpflichtigen.

Hintergrund

Führt ein Unternehmer eine nach § 4 UStG steuerfreie Leistung aus, kann er in den in § 9 Abs. 1 UStG abschließend aufgeführten Fällen auf die Steuerfreiheit verzichten. Im Regelfall wird in der Praxis dieser Verzicht bei Leistungen gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern vorgenommen, um selbst den Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Eingangsleistungen zu erhalten. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung kann nicht nur für zukünftige Umsätze ausgeübt werden, ein Verzicht kann auch für die Vergangenheit vorgenommen oder für die Vergangenheit widerrufen werden.

Formelle vs. materielle Bestandskraft

Die Finanzverwaltung hatte bisher die Rechtsauffassung vertreten, dass die Option für die Vergangenheit nur bis zur formellen Bestandskraft einer Veranlagung ausgeübt oder wiederrufen werden kann.

Der BFH (Urteile v. 19.12.2013, V R 6/12, BFH/NV 2014 S. 1126, Haufe Index 6792648, sowie V R 7/12, BFH/NV 2014 S. 1130, Haufe Index 6792649) hatte dagegen entschieden, dass die Rücknahme des Verzichts auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG möglich ist, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist (materielle Bestandskraft). Der Verzicht und sein Rückgängigmachen sind bezüglich der zeitlichen Grenzen ihres Ausübens gleich zu behandeln.

Veräußerung von Grundstücken

Bei Umsätzen, die unter das GrEStG fallen, ist in § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG als weitere Voraussetzung für die Option enthalten, dass schon im notariellen Kaufvertrag auf die Steuerbefreiung verzichtet werden muss.

Die Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 31.3.2004, BStBl 2004 I S. 453, Haufe Index 1131216) hatte früher ermöglicht, dass ein Verzicht auf die Steuerbefreiung bei diesen Umsätzen auch noch in einer notariellen Ergänzungsurkunde ausgeübt werden kann.

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hatte der BFH (Urteil v. 21.10.2015, XI R 40/13, BFH/NV 2016 S. 353, Haufe Index 8805772) eine strengere Anwendung der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen und die Option bei den unter das GrEStG fallenden Vorgängen – in aller Regel die Veräußerung von Grundstücken – ausschließlich im notariellen Kaufvertrag ermöglicht. Ein Nachholen der Option ist nach dieser Rechtsprechung nicht möglich.

BMF übernimmt BFH-Grundsätze

Die Finanzverwaltung übernimmt jetzt die Vorgaben aus der Rechtsprechung des BFH und passt den UStAE entsprechend an:

  • Die Erklärung zur Option nach § 9 UStG sowie die Rücknahme dieser Option sind zulässig, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO noch änderbar ist.
  • Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden. Ein späterer Verzicht wie auch die Rücknahme des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.

Sonderfall Zwangsversteigerung

Bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks muss schon bei der Aufforderung zur Abgabe eines Gebots auf die Steuerbefreiung verzichtet werden.

Übergangsregelungen

Grundsätzlich sind die Regelungen in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung gewährt jedoch Übergangs- und Vertrauensschutzregelungen:

  • Für die Zeit vom 31.3.2004 - 31.10.2010 wird die Wirksamkeit von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen nicht beanstandet.
  • Für die Zeiträume ab dem 1.11.2010 kommt in den Fällen von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen ein Vertrauensschutz bis zur formellen Bestandskraft in Betracht, wenn die Erklärungen vor dem 1.1.2018 abgegeben wurden.

Einerseits Verbesserung, andererseits Verschlechterung

Der Verzicht auf die Steuerbefreiung kann gerade bei Immobilienumsätzen wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg sein. Dabei muss der Unternehmer die maßgeblichen Rahmenbedingungen beachten. Durch die Umsetzung der Rechtsprechung des BFH haben sich die Voraussetzungen für den zeitlichen Rahmen der Option und des Widerrufs der Option für die Unternehmer verbessert. Bezüglich der Möglichkeiten bei einer Grundstücksveräußerung oder anderen unter das GrEStG fallenden Umsätzen auf die Steuerbefreiung zu verzichten, haben sich dagegen die Rahmenbedingungen für die Unternehmer verschlechtert.

Risiko „unrichtiger Steuerausweis“

Allerdings muss gerade bei der jetzt vorhandenen Möglichkeit, bis zur materiellen Bestandskraft eine Option nachträglich zu widerrufen, in der Praxis aufgepasst werden. Hat der Unternehmer auf die Steuerbefreiung (z. B. bei einem Vermietungsumsatz) des Umsatzes verzichtet und widerruft er diese Option, kann sich das Problem des unrichtigen Steuerausweises nach § 14c Abs. 1 UStG ergeben, da in aller Regel die USt offen in einem Mietvertrag oder einer Mietdauerrechnung ausgewiesen wurde.

Besonderes Problem ist dabei, dass die theoretisch mögliche Berichtigung bei einem nachträglichen Widerruf der Option bei Vermietungsumsätzen nach den strengen Regelungen des § 14c Abs. 2 UStG erfolgt. Konkret bedeutet dies, dass der vermietende Unternehmer die USt erst dann korrigieren kann, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist, also der Leistungsempfänger den von ihm vorgenommenen Vorsteuerabzug berichtigt hat. Dies wird sich in der Praxis als die entscheidende Hürde beim nachträglichen Widerruf der Option erweisen.

Geschäftsveräußerung im Ganzen?

Bei dem Verzicht auf die Steuerbefreiung bei der Veräußerung von Grundstücken muss der Verkäufer sich verschiedene Gedanken machen: Zuerst muss überprüft werden, ob die Immobilienveräußerung zu einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG führt. Liegt eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vor, tritt der Leistungsempfänger in die Rechtsposition des Verkäufers ein – insbesondere muss er die Vorsteuerberichtigungszeiträume des Verkäufers fortführen. Liegt keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG vor, muss geprüft werden, ob eine Option möglich und sinnvoll ist. Soweit dies bejaht wird, muss dann im notariellen Kaufvertrag auf die Steuerbefreiung verzichtet werden, ohne dass Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen werden darf, da der Leistungsempfänger zum Steuerschuldner (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG) wird.

Zweifelhafte Einschränkung

Es kann hinterfragt werden, ob die einschränkende Rechtsprechung des BFH dem Sinn der Regelung entspricht. Dem BFH ist zugute zu halten, dass der reine Wortlaut des Gesetzes nur den Verzicht auf die Steuerbefreiung im notariellen Kaufvertrag zulässt. Wenn aber der Sinn der Regelung mit in die Überlegung einbezogen wird, ergeben sich Zweifel. Die Option im Kaufvertrag war gleichzeitig mit der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger in diesen Fällen eingeführt worden. Zum Schutz des Käufers wurde die Regelung mit aufgenommen, damit er schon bei Abschluss des Kaufvertrags über den Verzicht auf die Steuerbefreiung und die damit einhergehende Steuerschuldnerschaft informiert war. Insoweit war es aus Sicht der Praxis wünschenswert, einen solchen Verzicht auch noch nachträglich notariell zu vereinbaren. Es ergeben sich auch weder systematische noch logische Gründe, warum eine einvernehmliche nachträgliche (notariell beurkundete) Vertragsanpassung nicht wirksam sein sollte. Gerade auch vor der immer weiter zunehmenden Komplexität der Abgrenzung der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung bei Immobilienumsätzen wäre es begrüßenswert, wenn § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG dahingehend angepasst würde, dass ein Verzicht auf die Steuerbefreiung in notarieller Urkunde zu erklären ist – dies würde dann auch eine nachträgliche Vertragsanpassung ermöglichen, ohne dass eine Vertragspartei benachteiligt wäre.

Vertrauensschutzregelungen beachten!

Soweit in der Vergangenheit mit notariellen Ergänzungsurkunden gearbeitet worden ist, sollten die Vertrauensschutzregelungen beachtet werden – Erklärungen sind danach spätestens bis zum 31.12.2017 einzureichen.

BMF, Schreiben v. 2.8.2017, III C 3 - S 7198/16/10001

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