BMF Kommentierung: Anrechnung ausländischer Steuern

Bei der Anrechnung ausländischer Steuern ist der Anrechnungshöchstbetrag zu beachten. Die Formel zu dessen Berechnung verstößt nach dem EuGH-Urteil vom 28.2.2013 gegen EU-Recht. Das BMF regelt nun, wie die Finanzbehörden bis zu einer gesetzlichen Umsetzung des EuGH-Urteils zu verfahren haben und wie der Anrechnungshöchstbetrag unter Beachtung des EuGH-Urteils zu berechnen ist.

Ausgangslage

Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die im Ausland Einkünfte erzielen, kann eine Doppelbesteuerung dadurch vermieden werden, dass die im Ausland gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Die Anrechnung ist dabei auf einen Höchstbetrag begrenzt. Ist die ausländische Steuer höher als dieser Anrechnungshöchstbetrag, kann der übersteigende Betrag nicht mehr angerechnet werden. Es entsteht ein sog. Anrechnungsüberhang. Fraglich ist, wie der Anrechnungshöchstbetrag zutreffend zu ermitteln ist.

Rechtslage

Der Anrechnungshöchstbetrag wird nach der Formel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG berechnet. Die Formel lautet vereinfacht:

Anrechnungshöchstbetrag = Tarifliche Einkommensteuer x Ausländische Einkünfte : Summe der Einkünfte

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 28.2.2013 (C-165/11, "Beker & Beker") entschieden, dass diese Formel gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Begründet wird dies damit, dass bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags die Summe der Einkünfte zugrunde gelegt werde und in diesem Betrag Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände nicht berücksichtigt würden.

Regelung

In dem Schreiben vom 30.9.2013 regelt das BMF, wie die Finanzbehörden bei der Anrechnung ausländischer Steuern nach dem EuGH-Urteil vom 28.2.2013 bis zu dessen gesetzlicher Umsetzung verfahren sollen.

In Fällen, in denen bei der Anrechnung ausländischer Steuern ein Anrechnungsüberhang entsteht, weil die ausländische Steuer den nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ermittelten Anrechnungshöchstbetrag übersteigt, soll die Einkommensteuer hinsichtlich der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nur noch vorläufig festgesetzt werden.

Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO oder nach § 69 Abs. 2 FGO soll stattgegeben werden. Dies soll erfolgen in Höhe des Differenzbetrags zwischen der festgesetzten Steuer, also der Steuer, die sich bei Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG ergibt, und der Steuer, die sich bei alternativer Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags ergeben würde. Bei der alternativen Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags sollen von der Summe der Einkünfte die Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände abgezogen werden. Diese Kosten sind nach dem BMF

  • der Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG),

  • der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG),

  • Sonderausgaben (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG),

  • außergewöhnliche Belastungen (§§ 33 bis 33b EStG) und

  • die berücksichtigten Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs. 6 EStG).

Diese Regelungen sind nicht beschränkt auf EU-/EWR-Mitgliedstaaten und auch nicht auf Staaten, mit denen ein DBA besteht. Sie gelten daher für Steuern aus allen ausländischen Staaten.

Die Regelungen gelten jedoch nur für die Einkommensteuer, nicht für die Körperschaftsteuer. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen können nach dem BMF keine Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände und somit auch keine persönlichen Abzugsbeträge haben. Einsprüche wegen der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags sollen daher zurückgewiesen werden, Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung soll nicht stattgegeben werden.

Praxishinweis

Die Regelungen in dem BMF-Schreiben sind im Hinblick auf die Einkommensteuer zunächst einmal eine Erleichterung für die Praxis. Durch die vorläufige Steuerfestsetzung ist es nicht mehr erforderlich, in jedem Einzelfall Einspruch einzulegen, wenn eine ausländische Steuer wegen Überschreitens des Anrechnungshöchstbetrags nicht in voller Höhe angerechnet werden kann. Zudem können erfolgreich Anträge auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden.

Fraglich ist jedoch, ob die alternative Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags tatsächlich den Vorgaben des EuGH entspricht. In der Begründung seines Urteils weist der EuGH darauf hin, dass im ersten Teil der Berechnungsformel die tarifliche Einkommensteuer stehe, die auf der Grundlage des zu versteuernden Einkommens berechnet werde. Dieses werde auf die Weise ermittelt, dass von der Summe der Einkünfte sämtliche nach deutschem Recht zulässigen Abzüge vorgenommen würden, insbesondere diejenigen für die Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände des Steuerpflichtigen. Im zweiten Teil der Formel stehe im Nenner des Bruchs jedoch die Summe der Einkünfte, von der diese Kosten nicht abgezogen würden. Dieser Umstand, dass im Nenner des im zweiten Teil der Formel enthaltenen Bruchs die Summe der Einkünfte und nicht das zu versteuernde Einkommen verwendet werde, führe zu einer Verringerung des Anrechnungshöchstbetrags.

Demnach müsste der Anrechnungshöchstbetrag zutreffend eigentlich nach folgender Formel berechnet werden:

Anrechnungshöchstbetrag = Tarifliche Einkommensteuer x Ausländische Einkünfte : Zu versteuerndes Einkommen

Der Unterschied zur Formel des BMF liegt insbesondere darin, dass nach dem BMF ein Verlustabzug nach § 10d EStG nicht zu berücksichtigen ist, der bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens jedoch zu berücksichtigen wäre. Auch könnte argumentiert werden, dass es sich bei dem Verlustabzug nach § 10d EStG um einen zu berücksichtigenden personenbezogenen Umstand handelt, da er die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen betrifft. Danach würde der Anrechnungshöchstbetrag bei Anwendung der Formel des BMF nach wie vor zu niedrig ausfallen.

Dies hätte auch Folgen für die Körperschaftsteuer, da auch bei dieser zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Verlustabzug zu berücksichtigen wäre. Die Ansicht des BMF, dass das Urteil des EuGH keine Auswirkungen für die Körperschaftsteuer habe, wäre somit nicht zutreffend.

Es sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob gegen auf Grundlage des BMF-Schreibens ergangene Entscheidungen der Finanzbehörden Rechtsmittel eingelegt werden sollten.

Über die zutreffende Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags wird auch der BFH noch zu entscheiden haben. Das Urteil des EuGH erging auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH in einem noch anhängigen Revisionsverfahren (Az. I R 71/10). Es ist zu hoffen, dass die Entscheidung des BFH in diesem Verfahren weitere Klarheit bringen wird.

BMF, Schreiben v. 30.9.2013, IV B 3 - S 2293/09/10005-04-2013/0834851