Rz. 48

Grundsätzlich hat der Versicherte in Anlehnung an das frühere Recht (vgl. § 184 Abs. 2 RVO) eines der beiden nächstgelegenen, für seinen Behandlungsfall geeigneten Krankenhäuser zu wählen, und der verordnende Arzt hat diese beiden Krankenhäuser in seiner Verordnung anzugeben (§ 73 Abs. 4 Satz 3). Es geht aber wohl zu weit, aus diesem Wahlrecht zu schließen, dass der Versicherte grundsätzlich das Krankenhaus frei wählen darf (so Wahl, in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB V, § 39 Rz. 176; Knispel, in: BeckOK SGB V, § 39 Rz. 52; Schmidt, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 39 SGB V Rz. 230; a. A. BSG, Urteil v. 2.11.2007, B 1 KR 11/07 R Rz. 13; Hauck, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 13 SGB V Rz. 369). Abgesehen von Fällen des Systemversagens beschränkt bereits § 39 Abs. 1 Satz 2 den Anspruch auf vollstationäre oder stationsäquivalente Behandlung in einem nach § 108 zugelassenen und damit plankonformen Krankenhaus. Gegen die freie Auswahl des Krankenhauses spricht auch, dass eine § 76 Abs. 1 Satz 1 entsprechende Regelung der freien Arztwahl unter den für die vertragsärztliche Versorgung vorgesehenen Leistungserbringern für den Krankenhausbereich gerade nicht existiert. Darüber hinaus haben nach § 39 Abs. 3 die Selbstverwaltungspartner auf landes- oder regionaler Ebene ein Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte aufzustellen, um bei der Auswahl des Krankenhauses verstärkt preisgünstige Krankenhäuser in Anspruch nehmen zu können und dem Arzt einen raschen Überblick über die im Einzelfall den Betracht kommenden Krankenhäuser zu bieten. Dieses Verzeichnis ist bei der Verordnung von Krankenhausbehandlung (§ 73 Abs. 4) und bei der Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse zu berücksichtigen. Bundesweite Verzeichnisse kommen darüber hinaus bei ungewöhnlichen oder sehr schwierigen Krankenhausbehandlungen (z. B. Transplantationen) in Betracht (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 178). Das Gesetz beschreibt den Inhalt des Verzeichnisses nicht abschließend, sodass es auch möglich ist, ausgewählte Diagnosen und Angaben der Verweildauer mit einzubeziehen. Selbst wenn derartige Verzeichnisse flächendeckend nicht vorhanden sind (für Nordrhein-Westfalen vgl. https://www.deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de/app/suche/bundesland/start/nordrhein-westfalen), und diese mit der Umstellung auf ein auf diagnosen- und prozedurenbezogenen Fallgruppen (DRGs) beruhendes leistungsorientiertes Vergütungssystem (näher Becker, in: Becker/Kingreen, Gesetzliche Krankenversicherung, 8. Aufl. 2022, § 107 SGB V Rz. 27 ff.) an Bedeutung verloren haben, kann ihnen die Relevanz für die Bewilligung von Krankenhausleistungen durch die Krankenkassen nicht ohne Weiteres abgesprochen werden (so Wahl, a. a. O., Rz. 189).

 

Rz. 49

Nächsterreichbares Krankenhaus ist grundsätzlich das gemessen an der räumlichen Entfernung nah erreichbare Krankenhaus.

Wählt der Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als eines der beiden in der ärztlichen Verordnung genannten Krankenhäuser, so kann die Krankenkasse ihm nach der nunmehr als Ermessensvorschrift ausgestalteten Regelungen des Abs. 2 die dadurch entstandenen Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegen. Abzuwägen sind hierbei die individuellen Interessen des Versicherten mit den Interessen der Gemeinschaft der Beitragszahler.

Zwingende Gründe dafür, eines der beiden in der Verordnung genannten Krankenhäuser nicht in Anspruch zu nehmen, können unter anderem sein:

  • die Entfernung des Krankenhauses von den nächst erreichbaren Anverwandten, so bei Kindern von deren Bezugspersonen,
  • Erfahrungen des Versicherten oder seiner Angehörigen mit der Behandlung in einem bestimmten Krankenhaus,
  • allgemeine Berücksichtigung des Wunsches des Versicherten, wenn die Differenzkosten sich in einem vertretbaren Rahmen halten,
  • religiöse Bedürfnisse des Versicherten (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2).

    Letztlich hat die Mehrkostenregelung durch die Abrechnung der stationären Leistungen aufgrund einheitlicher Fallpauschalen an Bedeutung verloren.

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