Rz. 8

Zum Leistungsinhalt der besonderen Versorgung gibt Abs. 2 den gesetzlichen Rahmen vor. Diese Rahmenvorgaben sind bei der Gestaltung der Selektivverträge bzw. der besonderen Versorgungsaufträge von den Vertragspartnern einzuhalten bzw. dürfen auch nicht überschritten werden. So wäre es z. B. nicht möglich, über einen Selektivvertrag "Wohlfühlmassagen" vertraglich zu regeln, weil solche Massagen zwar eventuell der Krankenkasse einen (ungerechtfertigten) Wettbewerbsvorteil verschaffen könnten, aber der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind. Es kommt hinzu, dass nach Anlage 1 der Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses Ganzmassagen und Vollmassagen zu den nicht verordnungsfähigen Heilmitteln i. S. dieser Richtlinie gehören, sodass für diese Leistungen ein Leistungsausschluss bzw. eine ablehnende Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliegt (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 1).

Ebenso können sog. Lifestyle-Arzneimittel, die nach § 34 Abs. 1 Satz 8 von der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind, nach der Gesetzesbegründung nicht Gegenstand der Verträge über die besondere Versorgung sein. Der gesetzliche Ausschluss der Lifestyle-Arzneimittel hat eine wesentlich stärkere Rechtswirkung als z. B. ein ablehnender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, wobei die Rechtsfolge dieselbe ist, sodass diese Arzneimittel nicht in einen Vertrag über die besondere ambulante ärztliche Versorgung übernommen werden können.

Die Formulierung "Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen", macht im Übrigen deutlich, dass mit den Selektivverträgen Abweichendes innerhalb und nicht etwa außerhalb des Rahmens der übergeordneten Vorschriften geregelt werden kann. Der Singular "Abweichendes" anstelle z. B. von "Abweichungen oder Neuem" bezieht sich zudem nur auf einzelne Passagen einer Vorschrift, ohne die Vorschrift bei der Gestaltung eines Selektivvertrages im Ganzen infrage zu stellen oder für nicht anwendbar zu erklären.

Die bisherige Voraussetzung für Abweichendes, dass sie mit dem Sinn und der Eigenart der besonderen Versorgung übereinstimmen und insbesondere darauf ausgerichtet sein muss, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern, ist aufgrund des Abs. 2 Satz 4 auf die gesamte besondere Versorgung ausgedehnt worden.

Das erlaubte Abweichen vom Vierten Kapitel SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern), vom Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz und den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen bezieht sich auf die Regelleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und erstreckt sich wegen des Abs. 2 Satz 1 auf die besondere Versorgung insgesamt, also neben der integrierten Versorgung auch auf die besonderen Versorgungsaufträge mit den in Abs. 3 aufgeführten Vertragspartnern (Abs. 1 Satz 2). Dies schafft für die Vertragspartner auf beiden Seiten neue Möglichkeiten, den Behandlungsablauf, die Behandlungsqualität, die Bürokratie und die Vergütung besser zu regeln als in der traditionellen Regelversorgung.

 

Rz. 9

Im Sinne einer möglichst großen Gestaltungsfreiheit und zur wettbewerblichen Weiterentwicklung der besonderen Versorgung ist in Abs. 2 Satz 2 klargestellt, dass auch solche Leistungen vereinbart werden können, die über den Leistungsumfang der Regelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen. Dabei geht es um normierte Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB V, welches mit "Leistungen der Krankenversicherung" überschrieben ist. Für die besondere Versorgung in Betracht kommende Leistungen können damit solche sein, die in § 11 Abs. 6 als Satzungsleistungen (sog. Mehrleistungen) einer Krankenkasse aufgeführt sind; Voraussetzung für jede als satzungsmäßig vorgesehene Mehrleistung bleibt allerdings, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die betreffende Leistung in seinen Richtlinien nach § 92 oder anderweitig nicht ausgeschlossen hat (§ 11 Abs. 6 Satz 1). Mit dieser Einschränkung können diese Zusatzleistungen in Betracht kommen, sodass deren Leistungserbringung in der fachlich gebotenen Qualität entweder im Rahmen der Regelversorgung, falls die Satzung die Mehrleistung vorsieht, oder im Rahmen eines von der Krankenkasse angestrebten Selektivvertrages erfolgen kann. Zu den in § 11 Abs. 6 genannten Leistungen gehören:

  • Leistungen im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40),
  • Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24 d),
  • Leistungen der künstlichen Befruchtung (§ 27a),
  • Leistungen der zahnärztlichen Versorgung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Abs. 2),
  • Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Abs. 1 Satz 1),
  • Versorgung mit Heilmitteln (§ 32),
  • Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 33),
  • Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a),
  • Leistungen ...

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