Rz. 3

Die Vorschrift regelt das Zustandekommen der Einzelverträge (Selektivverträge) über die besondere Versorgung und setzt die Rahmenbedingungen, die nach dem Willen des Gesetzgebers für ein Durchbrechen der sektoralen Strukturen der auf Kollektivverträgen basierenden Regelversorgung und eine Etablierung der besonderen Versorgung erforderlich sind.

Was mit der besonderen Versorgung i. S. der Überschrift gemeint ist, wird z. B. in Abs. 2 deutlich. Nach Satz 4 HS 2 liegt der Sinn und die Eigenart der besonderen Versorgung insbesondere darin, dass die erlaubten abweichenden Regelungen von den in Abs. 2 Satz 1 genannten Vorschriften insbesondere darauf ausgerichtet sein müssen, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten zu verbessern. Die anzustrebende Verbesserung soll dabei hauptsächlich gegenüber der Regelversorgung der Versicherten erreicht werden.

Das Vertragsprinzip "Selektivverträge" lässt den Beteiligten, d. h. den Versicherten, Leistungserbringern und Krankenkassen auf regionaler Ebene die Freiheit, sich per Teilnahmeerklärung (vgl. Abs. 4) bzw. Bindung als Vertragspartner an den Einzelvertrag für die besondere Versorgung anstelle bzw. zusätzlich zur bisherigen sektoralen Versorgung (Regelversorgung) zu entscheiden.

In Abs. 1 sind die in den mit Wirkung zum 23.7.2015 aufgehobenen §§ 73 a, 73c und 140a (a. F.) enthaltenen Möglichkeiten der Krankenkassen (vgl. "können ... abschließen") zusammengefasst worden. Danach haben die Krankenkassen die Option, Strukturverträge, Verträge über eine integrierte Versorgung oder Verträge über eine besondere ambulante ärztliche Versorgung zu schließen; andererseits bezieht sich Abs. 1 Satz 1 jetzt allgemein auf die besondere Versorgung der Versicherten, sodass mit Wirkung zum 1.1.2021 die Krankenkassen über die bisherigen Selektivverträge mit Vertragsärztinnen und Vertragsärzten hinaus Verträge über die besondere Versorgung auch mit allen anderen in Abs. 3 aufgeführten Leistungserbringern schließen können. Durch die Kann-Bestimmung in Abs. 1 Satz 1 ist eine Krankenkasse nicht verpflichtet, ihren Versicherten die besondere Versorgung anzubieten; ebenso kann keiner der in Abs. 3 aufgeführten Leistungserbringer die Krankenkasse zwingen, einen Vertrag über die besondere Versorgung abzuschließen. Eine Klage auf Vertragsabschluss wäre im Übrigen unzulässig, wenn eine Krankenkasse einen Vertrag über die besondere Versorgung nicht schließen will. Die Krankenkasse entscheidet allein aufgrund ihrer Markt- und Wettbewerbssituation in der gesetzlichen Krankenversicherung, ob sie einen i. d. R. mit höheren Ausgaben, aber auch mit Vorteilen verbundenen Vertrag über die besondere Versorgung zugunsten der Versicherten schließen will.

Die Verträge über die besondere Versorgung ermöglichen nach Abs. 1 Satz 2

a) eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende oder eine interdisziplinär fachübergreifende Versorgung (integrierte Versorgung) sowie

b) besondere Versorgungsaufträge unter Beteiligung der in Abs. 3 genannten Leistungserbringer oder deren Gemeinschaften.

Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist zunächst die bisherige Möglichkeit, Selektivverträge in der vertragsärztlichen Versorgung bzw. für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte vorzusehen, unverändert geblieben, dann aber auch die Verträge über die besondere Versorgung der Versicherten auf alle anderen Leistungsbereiche ausgedehnt bzw. für alle anderen nichtärztlichen Leistungserbringer ermöglicht worden. Auch sie können, in Abweichung von den für sie geltenden Bestimmungen in der Regelversorgung, mit den Krankenkassen besondere Versorgungsformen für die Versicherten vereinbaren. Die Erweiterung gilt allerdings nur innerhalb des jeweiligen Versorgungssektors des Leistungserbringers und ermöglicht daher auch nur Abweichungen von den Regelungen, welche für diesen Versorgungssektor gelten.

2.1 Integrierte Versorgung

 

Rz. 4

Integrationsverträge konnten bis 31.12.2020 nach der bisherigen Fassung des Abs. 1 Satz 2 nur über eine "interdisziplinär-fachübergreifende" oder über eine "verschiedene Leistungssektoren übergreifende" Versorgung geschlossen werden (so auch BSG, Urteil v. 6.2.2008, B 6 KA 27/07 R). Eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung setzt nach der Urteilsbegründung eine Zusammenarbeit von Hausärzten und Fachärzten oder von Fachärzten unterschiedlicher Gebiete voraus. Die Kooperationen müssen die Fachgebietsgrenzen des ärztlichen Weiterbildungsrechts überschreiten. Sie müssen zudem im ambulanten Bereich über die traditionelle Zusammenarbeit durch Überweisung an Ärzte eines anderen Fachgebiets bzw. im stationären Bereich über die traditionelle Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachgebiete innerhalb eines Krankenhauses hinausgehen. Die traditionelle Zusammenarbeit zwischen einem Chirurgen und einem Anästhesisten stellt daher keine integrierte Versorgung dar, egal ob die Versorgung des Patienten ambulant oder stationär erfolgt. Erforderlich ist für die integrierte Versorgung vielmehr ein Konzept längerfristiger, g...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge