Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Aufwendungsersatz gem § 19 Abs 5 SGB 12. Anforderungen an die Gewährung "erweiterter Hilfen". Begriff der stationären Einrichtung bzw Tageseinrichtung. keine Rücknahme der Bewilligung nach § 45 SGB 10. Anwendungsbereich des § 90 Abs 3 SGB 12. Abgrenzung des Vermögens- vom Einkommenseinsatz. Erwerbsunfähigkeitsrente

 

Leitsatz (amtlich)

Die nachträgliche Geltendmachung eines Kostenbeitrags nach § 19 Abs 5 SGB 12 setzt voraus, dass die Leistung zu Recht als erweiterte Hilfe gewährt wurde. Dies ist nicht der Fall, wenn der Sozialhilfeträger in der Lage ist, ohne unzumutbare Verzögerung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu bewerten und abschließend über das Bestehen eines Leistungsanspruchs zu entscheiden.

 

Orientierungssatz

1. Um eine stationäre Einrichtung iS des § 92 Abs 1 SGB 12 handelt es sich nur dann, wenn der Hilfebedürftige in der Einrichtung untergebracht ist (vgl LSG Celle-Bremen vom 22.2.2007 - L 8 AS 35/06).

2. Tageseinrichtungen iS des § 92 Abs 1 SGB 12 sind Einrichtungen, in denen behinderte Menschen während des Tages betreut und gefördert werden, wobei die Förderung und Betreuung für eine nicht unwesentliche Dauer im Ablauf des Tages in der Einrichtung erfolgt; eine tägliche Betreuung von ca 2-3 Stunden erreicht nicht ein solches zeitliches Ausmaß.

3. Zum Nichtvorliegen einer Rücknahme nach § 45 SGB 10 bzw Fehlen einer ausreichenden Ermessensausübung.

4. Die Härtevorschrift des § 90 Abs 3 SGB 12 dient wie die Vorschriften über das Schonvermögen dazu, dem Hilfebedürftigen einen gewissen Spielraum in der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten, nicht jedoch der Verfolgung therapeutischer Zwecke.

5. Laufende Rentenzahlungen wegen Erwerbsunfähigkeit im Bewilligungszeitraum sind als Einkommen und nicht als Vermögen anzurechnen; dabei ist jedoch die Einkommensgrenze nach § 85 SGB 12 zu berücksichtigen.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 7.9.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2006 wird insoweit aufgehoben, wie ein Kostenbeitrag in Höhe von 3.505,45 € festgesetzt worden ist.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für Leistungen, die ihm von der Einrichtung Der B. e.V. erbracht worden sind.

Der 1963 geborene Kläger leidet an einer chronischen paranoiden Psychose, er ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt. Am 17.7.2002 beantragte er bei der Beklagten Leistungen für Betreuung durch die Einrichtung Der B. e.V. In dem Aufnahmebogen gab er an, über Vermögen in Form einer Lebensversicherung, deren Vertragswert zu diesem Zeitpunkt 2804,39 € betrug, sowie Genossenschaftsanteilen im Wert von 1800,- € zu verfügen. Außerdem gab er Einkommen aus Arbeitslosenhilfe in Höhe von 145,11 € wöchentlich an. Er reichte ferner Kontoauszüge ein, aus denen sich ergibt, dass er eine Mietwohnung der G. bewohnt.

Mit Bescheid vom 30.9.2002 bewilligte die Beklagte Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) für den Zeitraum 15.7.2002 bis 31.1.2003 in der Einrichtung Der B. e.V. In dem Bescheid heißt es wörtlich: “Sie sind verpflichtet, hierzu Ihr Einkommen und Vermögen einzusetzen. Die Kosten für die Betreuung betragen zur Zeit täglich 31,20 €. Diese Kosten übernimmt der Sozialhilfeträger Freie und Hansestadt Hamburg gemäß § 43 I BSHG. Es ist aber eventuell ein Kostenbeitrag zu leisten, den die Sozialabteilung gegebenenfalls mitteilen wird„ und “Bescheide der Sozialabteilung, in denen die Höhe des Kostenbeitrags oder Eigenanteils mitgeteilt wird, ergänzen diesen Bescheid bzw. ändern ihn„.

Seitdem nahm der Kläger Leistungen der Einrichtung Der B. e.V. in Anspruch. Der Kläger wohnte dabei in einer eigenen Wohnung. Er kam zu Einzelgesprächen in die Einrichtung, anfangs pro Woche einmal für eine halbe Stunde, später pro Woche einmal für eine Stunde. Außerdem nahm er an Gruppenangeboten teil. Insgesamt verbrachte er ca. 2 - 3 Stunden täglich in der Einrichtung.

Mit Schreiben vom 9.10.2002 forderte die Beklagte von dem Kläger Unterlagen zu den Genossenschaftsanteilen an, um prüfen zu können, ob ein Kostenbeitrag zu fordern sei. Der Kläger übersandte daraufhin eine Bescheinigung der Baugenossenschaft B1. vom 17.10.2002, in der diese bestätigt, dass der Kläger im Besitz von 12 Anteilen im Wert von insgesamt 1800,- € ist. Ferner wird dort ausgeführt, die Kündigungsfrist betrage ein volles Geschäftsjahr. Eine Kündigung im Jahr 2002 werde zum 31.12.2003 wirksam. Die Auszahlung könne dann nach dem 30.6.2004 erfolgen.

Mit Bescheid vom 14.1.2003 bewilligte die Beklagte Hilfe in besonderen Lebenslagen in der Einrichtung Der B. e.V. für den Zeitraum 1.2.2003 - 31.1.2004; dieser Bescheid enthielt den gleichen Hinweis auf eine eventuelle Kostenbeitragspflicht wie der oben zitierte Bescheid vom 30.9.2002.

Am 11.11.2003 teilte die Einrichtung Der B. e.V. der Beklagten mit, dass dem Kläger mit Bescheid der...

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