Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung gegen Jobcenter aus einstweiliger Anordnung. Anwendbarkeit des § 201 SGG. Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes

 

Orientierungssatz

1. Für die Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung, mit der einem Antragsteller Leistungen "gewährt werden" und der Antragsgegner damit zur Erteilung eines Bescheides verpflichtet worden ist, ist nicht die Zwangsvollstreckung nach § 883 ZPO, sondern die nach § 201 SGG die zutreffende Vollstreckungsart (Durchsetzung einer unvertretbaren Handlung). Daraus folgt, dass maximal 1000 Euro Zwangsgeld angedroht und gegebenenfalls festgesetzt werden können (vgl. Landessozialgericht Darmstadt vom 19. Januar 2007 -L 7 AS 10/07 ER-).

2. Da § 41 SGB 2 keine exakte Fälligkeitsregelung enthält, trüge ein Antragsteller im Fall einer Vollstreckung per Gerichtsvollzieher nach § 883 ZPO das Risiko, auf den Kosten der Zwangsvollstreckung sitzen zu bleiben, es sei denn, er nähme Verzögerungen bei der Auszahlung in Kauf, die dem Charakter des SGB 2 als einer vorschüssig zu zahlenden Sozialleistung widersprechen. Außerdem müsste ein Antragsteller die Vollstreckung in jedem Monat erneut betreiben, was die Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes erheblich beeinträchtigte.

3. Das Verhalten des Antragsgegners, die Umsetzung eines Beschlusses bewusst und in Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieser Verzögerung zu verweigern, rechtfertigt es, schon bei der erstmaligen Zwangsgeldandrohung die Obergrenze von 1.000 € auszuschöpfen und angesichts der verstrichenen Zeit von einer vorherigen Anhörung, die im Verfahren nach § 201 SGG generell nicht gefordert ist, abzusehen.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird gegen eine Zwangsgeldandrohung von 1.000 € aufgefordert, den Beschluss vom 18.9.2012 bis spätestens Freitag, den 26. Oktober 2012, in Form der Erteilung eines Bescheides unter gleichzeitiger Anweisung von 674 € für September 2012 sowie 674 € für Oktober 2012 umzusetzen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

Der Antrag auf Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes ist als Antrag nach § 201 SGG statthaft. Denn der Tenor des Eilbeschlusses vom 18.9.2012 richtet sich darauf, dass dem Antragsteller Leistungen “gewährt werden„. Der Antragsgegner ist damit zur Erteilung eines Bescheides verpflichtet worden. Hinsichtlich dieser Verpflichtung ist nicht die Zwangsvoll-streckung nach § 883 ZPO, sondern die nach § 201 SGG die zutreffende Vollstreckungsart (Durchsetzung einer unvertretbaren Handlung).

Da § 41 SGB II keine exakte Fälligkeitsregelung enthält, trüge der Antragsteller im Fall einer Vollstreckung per Gerichtsvollzieher nach § 883 ZPO das Risiko, auf den Kosten der Zwangs-vollstreckung sitzen zu bleiben, es sei denn, er nimmt Verzögerungen bei der Auszahlung in Kauf, die dem Charakter des SGB II als einer vorschüssig zu zahlenden Sozialleistung wider-sprechen. Außerdem müsste der Antragsteller die Vollstreckung in jedem Monat erneut betreiben, was die Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes erheblich beeinträchtigte.

Überdies teilt das Gericht die Begründung im Zwangsgeldantrag vom 23.10.2012, dass nur über eine Auszahlung per Bescheid die Weitermeldung bei der Krankenkasse und die nahtlose Inanspruchnahme sonstiger, an den Alg II-Bezug gekoppelter Vergünstigungen (Sozialticket, ermäßigter Eintritt zu Kulturveranstaltungen, GEZ-Gebührenbefreiung) im Beschlusszeitraum gewährleistet ist, darunter der Pfändungsschutz nach § 850 k ZPO über die dazu notwendige Vorlage eines Alg II-Bescheides bei einem Geldinstitut.

Das erkennende Gericht entnimmt dem Beschluss des LSG Darmstadt vom 19.1.2007 - L 7 AS 10/07 ER, dass § 201 SGG statt § 198 SGG i.V.m. § 888 ZPO einschlägig ist mit der Folge, dass maximal 1000 € Zwangsgeld angedroht und ggf. festgesetzt werden können (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter der Annahme, dass sich eine Behörde in der Regel rechtmäßig verhält und über das nach § 888 ZPO zulässige Zwanggeld bis zu 25.000 € oder gar Zwangs-haft keine problematische Drucksituation in schwierigen Sach- oder Rechtsfragen aufgebaut werden soll).

Im vorliegenden Fall geht es um einen klaren Fall und eine inzwischen nur noch vereinzelt vertretene Gegenmeinung, was die Leistungsverweigerung des Antragsgegners umso anstößiger macht.

Die Vollziehungsfrist nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 929 Abs. 2 ZPO ist hier einge-halten worden. Denn im Hinblick auf die Verpflichtung des Antragsgegners zu rechtstreuem Verhalten und der fehlenden Verweisung in § 86 b SGG auf § 927 ZPO genügt das ernsthafte Verlangen auf Auszahlung bzw. die Frage nach dem Verbleib der Beschlussleistung als hin-reichende Vollziehungshandlung.

Sollte man dies strenger sehen, ist jedenfalls für die ab Oktober 2012 zuerkannten Leistungen die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO (Eingang des Vollstreckungsantrags vor Ablauf eines Monats nach Fälligkeit der insoweit zuerkannten Leistungen) nicht abgelaufen.

Dass Verhalten des Antragsgegners - die Umsetzung des Beschlusses trotz Anhä...

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