Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zwangsvollstreckung aus einer einstweiligen Anordnung. Androhung von Zwangsgeld zwecks Durchsetzung eines Beschlusses zur darlehensweisen Gewährung von Energiekostenrückständen

 

Orientierungssatz

1. Auch aus einer einstweiligen Anordnung kann gemäß §§ 201 Abs. 1 S.  1, 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG vollstreckt werden. Soweit § 201 Abs. 1 S. 1 SGG lediglich Urteile erwähnt, ist das unschädlich, da die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch für sonstige Titel wie einstweilige Anordnungen gilt.

2. Ist einem Grundsicherungsträger im Tenor der einstweiligen Anordnung aufgegeben worden, zur sofortigen Tilgung der bei dem Energieunternehmen entstandenen Energiekostenrückstände ein Darlehen zu gewähren und Überweisung unmittelbar an den Energieversorger zu tätigen, ist die auferlegte Überweisung nicht davon abhängig, auf welche Weise etwaige Darlehensbedingungen nachfolgend festgelegt werden. Die Überweisung hat der Grundsicherungsträger vielmehr unmittelbar vorzunehmen.

 

Tenor

Dem Antragsgegner wird die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 € (eintausend Euro) für den Fall angedroht, dass er nicht bis spätestens

Montag, den 18. Mai 2009, 12.00 Uhr

den Beschluss der Kammer vom 22. April 2009 - S 87 AS 474/09 ER - zugunsten der Antragstellerin umgesetzt hat.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Der zulässige Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes zur Umsetzung des Beschlusses der Kammer vom 22. April 2009 - S 87 AS 474/09 ER - hat im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 22. April 2009 - S 87 AS 474/09 ER - bestimmt sich nach § 201 Abs. 1 S. 1 SGG. Bei dem genannten Beschluss handelt es sich zwar um eine einstweilige Anordnung, aber auch aus ihr kann gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 SGG vollstreckt werden. Soweit § 201 Abs. 1 S. 1 SGG lediglich Urteile erwähnt, ist das unschädlich; da die Vorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch für sonstige Titel wie einstweilige Anordnungen gilt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 201 Rdn. 2; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05. Juli 2005, - L 8 B 49/05 AS sowie auch Beschluss vom 27. Dezember 2006, - L 7 AS 653/06 ER).

2. Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) vorliegen und die Behörde die auferlegte Verpflichtung billigerweise hätte erfüllen können (Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 201 Rdn. 4 m.w.N.). Angesichts des § 929 Abs. 1 ZPO ist eine Vollstreckungsklausel hier jedoch entbehrlich. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist das Vollstreckungsgericht verpflichtet , ein Zwangsgeld anzudrohen. Ein irgendwie geartetes Ermessen kommt dem Vollstreckungsgericht nicht mehr zu. Ermessen besteht nur noch hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes.

Sollten sich Androhung und Festsetzung des in § 201 SGG genannten Zwangsgeldes als ungeeignet erweisen, können von den Gerichten auch einschneidendere Zwangsmittel aus der ZPO angewandt werden. Vgl. hierzu BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats) v. 9.8.1999 (NVwZ 1999, 1330):

“Ist etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar, daß die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt, dann gebietet es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, von der nach § 167 VwGO möglichen “entsprechenden“ Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten (vgl. Bettermann, DVBl 1969, 120 [121]; Maunz, BayVBl 1971, 399 [400]). Welche der in den §§ 885-896 ZPO geregelten, einschneidenderen Zwangsmitteln (Ersetzung der behördlichen Zustimmung zur Saalvermietung, Besitzeinweisung durch den Gerichtsvollzieher etc.) in welcher Reihenfolge und in welcher Form bei der Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Eilentscheidungen erforderlichenfalls zum Einsatz kommen, obliegt vorrangig der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung und bedarf in diesem Zusammenhang keiner Vertiefung.„

3. Die Antragsgegnerin ist der Verpflichtung aus der einstweiligen Anordnung bislang unstreitig nicht nachgekommen (§ 201 Abs. 1 S. 1 SGG), u.zw. bis zum heutigen Tage nicht - obgleich schon am 16. März 2009 versucht worden war, den Strom abzusperren, und sich das Energieversorgungsunternehmen nachfolgend nur mit Rücksicht auf das laufende Gerichtsverfahren bereit erklärt hatte, auf eine Liefersperre zu verzichten, somit also aus dieser auf der Hand liegenden Eilbedürftigkeit der Sache eine kurzfristige Befolgung auch der einstweiligen Anordnung ohne Weiteres folgte. Hierzu hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 13. Mai 2009 nun erklärt, die Antragstellerin sei zu einer persönlichen Vorsprache eingeladen worden,...

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