Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft

 

Orientierungssatz

Die Entscheidung, ob Zwangsgeld oder Zwangshaft festzusetzen sind, liegt im Ermessen des Gerichts. Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dieser gebietet es, trotz der dem Gericht grundsätzlich möglichen Wahl zwischen den beiden Zwangsmitteln des § 888 ZPO, die Haft solange nicht als Zwangsmittel zu verhängen, wie noch ein Zwangsmittel ausreichend erscheint, um den Willen des Schuldners zu beugen.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 29. Dezember 2006 aufgehoben.

II. Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der angefochtene Beschluss, mit dem das Sozialgericht (SG) die Zwangshaft gegen den Vorsitzenden des Vorstandes der Schuldnerin festgesetzt hat, kann nicht aufrechterhalten werden.

Gemäß § 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gilt für die Vollstreckung (aus sozialgerichtlichen Entscheidungen -§ 199 Abs. 1 SGG) das Achte Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend, soweit sich nicht aus den folgenden Vorschriften (§§ 199201 SGG) Abweichendes ergibt. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob sich die Vollstreckung aus dem Urteil vom 7. August 2006 -wie die Schuldnerin meint -nach § 201 SGG richtet oder, was der Gläubiger und das SG für richtig halten, insoweit § 198 SGG in Verbindung mit § 888 ZPO anzuwenden ist. Im ersten Falle wäre ausschließlich als Zwangsmittel ein Zwangsgeld zulässig; eine Zwangshaft ist danach ausgeschlossen. Aber auch bei Anwendbarkeit des § 888 ZPO kommt vorliegend die Zwangshaft nicht in Betracht.

Voraussetzung einer Vollstreckung ist zunächst die Vollstreckungsfähigkeit derjenigen Entscheidung, aus der vollstreckt werden soll (s. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer , SGG, 8. Aufl., § 198 Rn. 3 f.). Es ist bereits unsicher, ob es sich bei dem Urteil des SG vom 7. August 2006, durch das die Schuldnerin verpflichtet worden ist, dem Gläubiger Amtshilfe dadurch zu leisten, dass sie diesem einen unverschlüsselten Zugang zu allen von ihr im Wege der elektronischen Datenverarbeitung erfassten oder Stellenbewerbern zur Verfügung gestellten Stellenangeboten einschließlich der jeweiligen Arbeitgeberangaben in Echtzeit mit der Möglichkeit zur Einspeisung in das entsprechende EDV-Verwaltungsnetz des X-Kreises „zur Verfügung stellt“, grundsätzlich um eine der Vollstreckung zugängliche Entscheidung handelt. Die Vollstreckungsfähigkeit ist im Falle der Beteiligten jedenfalls mit dem Beschluss der Vorsitzenden des erkennenden Senats vom 5. Januar 2007, bestätigt mit Beschluss vom 18. Januar 2007, durch den auf der Grundlage des § 199 Abs. 2 SGG die Vollstreckung aus dem Urteil des SG vom 7. August 2006 ausgesetzt worden ist, entfallen.

Darüber hinaus ist der angefochtene Beschluss auch rechtsfehlerhaft. Er widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Diesem Grundsatz kommt verfassungsrechtlicher Rang zu (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht -BVerfG -E 19, 342, 348 f.; 76, 1, 50 f.) und ist bei allen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Freiheitssphäre des Bürgers zu beachten. Das muss auch dann gelten, wenn -wie hier -der mit Zwangshaft bedrohte Vorsitzende des Vorstandes der Schuldnerin nicht in erster Linie als Bürger, sondern als Mitglied des Leitungsorgans der Bundesagentur für Arbeit als einer rechtsfähigen bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (vgl. §§ 381, 367 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch -SGB III) betroffen ist.

Zwar hat das SG unter Bezugnahme auf § 888 ZPO zutreffend erkannt, dass die Entscheidung, ob Zwangsgeld oder Zwangshaft festzusetzen sind, im Ermessen des Gerichts liegt. Bei dieser Ermessensentscheidung hat es indes den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hinreichend beachtet. Dieser gebietet es, trotz der dem Gericht grundsätzlich möglichen Wahl zwischen den beiden Zwangsmitteln des § 888 ZPO, die Haft solange nicht als Zwangsmittel zu verhängen, wie noch ein Zwangsgeld ausreichend erscheint, um den Willen des Schuldners zu beugen (so zutreffend das Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 12. Oktober 2005 – 6 W 53/05). Vorliegend sind keine Anhaltspunkte tatsächlicher Art ersichtlich, aus denen sich ergeben würde, die Schuldnerin werde ein Zwangsmittel in Form des Zwangsgeldes unbeachtet lassen. Gerade bei einer dem Gesetz und Recht verpflichteten und -wie die Schuldnerin -derzeit im Zuge der Umsetzung von „Hartz IV“ verstärkt im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Behörde, die zudem ihren grundsätzlichen Willen zur Umsetzung des Urteils vom 7. August 2006 geäußert hat, kann auch vor dem Hintergrund, dass ein Zwangsgeld auf einen Betrag von 25.000 Euro begrenzt wäre, nicht von vornherein davon ausgegangen werden, Zwangsgelder hätten für sie keine besondere Bedeutung.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwen...

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