Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit der stationären Behandlung des Versicherten als Voraussetzung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses

 

Orientierungssatz

1. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine notwendige stationäre Behandlung des Versicherten ergibt sich aus § 109 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 39 SGB 5.

2. Vollstationäre Weiterbehandlung ist einem Versicherten auch dann zu gewähren, wenn nach dessen stationärer Behandlung eine ambulante Behandlung nicht ausreichend ist und ein Platz in einer Reha-Einrichtung nicht zur Verfügung steht.

3. In einem solchen Fall besteht Anspruch auf weitere stationäre Behandlung, wenn der Versicherte u. a. auf ärztliche Überwachung angewiesen ist.

4. Dem Krankenhausträger kann eine unwirtschaftliche Verlängerung der Verweildauer nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er rechtzeitig den Antrag auf eine Maßnahme der Anschlussheilbehandlung veranlasst hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen B 1 KR 13/19 R)

 

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.483,32 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 18. Dezember 2010.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 10.483,32 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitgegenstand ist eine Vergütung für Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin betreibt das Klinikum A-Stadt. Der bei der Beklagten krankenversicherte Patient C. wurde vom 07.12.2009 bis 27.01.2010 stationär im Klinikum A-Stadt behandelt. Er wurde direkt in eine Maßnahme der pulmologischen Anschlussheilbehandlung (AHB) verlegt. Das Krankenhaus erstellte am 24.03.2010 eine Rechnung über 36.244,01 EUR, die von der Beklagten vollständig beglichen wurde. Die Rechnung führt nach DRG die Fallpauschale E36Z (Intensivmedizinische Komplexbehandlung ) 552 Aufwandspunkte bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane) auf sowie ein tagesbezogenes Entgelt bei Überschreitung der Grenzverweildauer (GVD) für zehn Tage vom 17.01.2010 bis 26.01.2010 in Höhe von 9.998,60 EUR. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge und Abschläge ergab sich der Rechnungsbetrag.

Zur der Anschlussheilbehandlung war am 30.12.2009 ein Antrag an die Beklagte gefaxt worden, mit Wunsch auf eine Aufnahme in der Lungenfachklinik P ... Mit Schreiben vom 07.01.2010 bewilligte die Beklagte eine AHB-Maßnahme. Die Fachklinik Allgäu in P. sei um Mitteilung gebeten worden, wann der Patient aufgenommen werden könne. Sobald der Beklagten ("uns") der mögliche Aufnahmetermin genannt werde, werde das Krankenhaus unaufgefordert davon verständigt. Am 12.01.2010 übersandte die Klinik auf Anforderung einen Barthel-Index. Mit Schreiben vom 18.01.2010 (Telefax vom 19.01.2010) teilte die Beklagte dann mit, dass die Kosten der AHB in der Fachklinik Allgäu ab dem 27.01.2010 übernommen würden.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern mit der Prüfung der Notwendigkeit einer Überschreitung der oberen Grenzverweildauer (OGVD). Diese fand im Rahmen einer Krankenhausbegehung mit Einsicht in die vollständige Patientenakte statt. In seinem Gutachten vom 30.11.2010 führt Dr. G. aus, dass die Überschreitung im Wesentlichen durch das AHB-Prozedere zustande gekommen sei. Eine Entlassung nach Hause sei vorher nicht möglich gewesen. Die Beklagte nahm dann am 17.12.2010 eine Aufrechnung vor in Höhe von 10.483,32 EUR (tagesbezogenes Entgelt bei GVD-Überschreitung sowie zu berücksichtigende Verringerungen der Systemzuschläge) im Rahmen einer Sammelrechnung (vollständige Absetzung des bereits gezahlten Rechnungsbetrages sowie am selben Tag Zahlung von 25.760,69 EUR auf die streitgegenständliche Rechnung). Unterlagen zur Aufrechnung sind bei der Beklagten nicht mehr vorhanden. Die Klinik wandte sich gegen die Aufrechnung. In einer E-Mail der Beklagten an die Klinik vom 28.12.2010 heißt es dazu "Wie wir ja gestern bereits telefonisch erörtert haben, stimmen Sie mit dem Medizinischen Dienst darüber überein, dass eine vollstationäre medizinische Behandlungsbedürftigkeit ab dem 12.01.2010 nicht mehr bestanden hat. Andere mit der medizinischen Behandlung in Ihrem Haus nicht im Zusammenhang stehende Gründe sind dafür verantwortlich gewesen, dass eine Entlassung nach Hause nicht erfolgen konnte. Die bereits bezahlte Rechnung ist von uns korrigiert worden." Die Klinik griff die Angelegenheit später wieder auf. In einer E-Mail vom 11.12.2013 wurde gebeten, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Der Patient sei direkt in die AHB verlegt worden, eine Entlassung nach Hause nicht möglich gewesen. Auch Parken in einer Kurzzeitpflege sei medizinisch nicht vertretbar gewesen. Vom Antrag bis zur AHB seien 29 Tage vergangen, wobei das Krankenhaus kein Verschulden für die schleppende Bearbeitung durch die Krankenkasse treffe. Die Entscheidung des Großen Senats sei auf diesen Fall nicht anwendbar. Der Patient sei während des Aufenthalts in der Klinik in einem desolaten körperlichen Zustand gewesen, eine alternative Be...

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