Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Voraussetzung für Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung. geeignete Behandlungsform. Anschlussheilbehandlung in einer spezialisierten Reha-Einrichtung anstelle der vollstationären Behandlung. Krankenkasse kann nicht rechtzeitig eine Einrichtung anbieten. Überschreitung der Grenzverweildauer im Verantwortungsbereich der Krankenkasse. stationäre Behandlung weiterhin aus medizinischen Gründen notwendig. Kürzung der Krankenhausrechnung als treuwidriges Verhalten der Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzung für die Gewährung von vollstationärer Krankenhausbehandlung ist, ob die vollstationäre Behandlung die (allein) geeignete Behandlungsform ist.

2. Kommt anstelle der vollstationären Behandlung allein eine Anschlussheilbehandlung in einer spezialisierten Reha-Einrichtung in Betracht und kann die Krankenkasse nicht rechtzeitig eine Einrichtung anbieten, liegt eine Überschreitung der Grenzverweildauer im Verantwortungsbereich der Krankenkasse.

3. Die stationäre Krankenhausbehandlung kann dann weiterhin aus medizinischen Gründen notwendig sein.

4. Zur Kürzung der Krankenhausrechnung als mögliches treuwidriges Verhalten der Krankenkasse.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen B 1 KR 13/19 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 10.483,32 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt die Zahlung von 10.483,32 EUR nebst Zinsen für eine erfolgte stationäre Behandlung des bei der Beklagten und Berufungsklägerin Versicherten C. Streitig ist hierbei die Verweildauer in stationärer Behandlung.

Der Versicherte befand sich vom 7. Dezember 2009 bis 27. Januar 2010 in stationärer Behandlung im Klinikum A-Stadt, das von der Klägerin betrieben wird (Diagnose u.a.: J44.19 - Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation). Im Anschluss erfolgte ab 27. Januar 2010 eine Maßnahme der pulmologischen Anschlussheilbehandlung (AHB). Das Krankenhaus erstellte am 24. März 2010 eine Rechnung über 36.244,01 EUR, die von der Beklagten vollständig beglichen wurde. Die Rechnung führte die Fallpauschale E36Z (Intensivmedizinische Komplexbehandlung ) 552 Aufwandspunkte oder hochaufwendiges Implantat bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane) auf sowie ein tagesbezogenes Entgelt bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer (GVD) für zehn Tage vom 17. bis 26. Januar 2010 in Höhe von 9.998,60 EUR. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge und Abschläge ergab sich der Rechnungsbetrag.

Einen über die Klägerin zugeleiteten Antrag vom 30. Dezember 2009 zur AHB mit Empfehlung auf eine Aufnahme in der Lungenfachklinik P-Stadt bewilligte die Beklagte am 7. Januar 2010. Die Beklagte gab an, die Fachklinik A. in P-Stadt sei um Mitteilung gebeten worden, wann der Patient aufgenommen werden könne. Sobald der Beklagten ("uns") der mögliche Aufnahmetermin genannt werde, werde das Krankenhaus unaufgefordert davon verständigt. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 (Telefax vom 19. Januar 2010) teilte die Beklagte dann mit, dass die Kosten der AHB in der Fachklinik A. ab dem 27. Januar 2010 übernommen würden.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern mit der Prüfung der Notwendigkeit einer Überschreitung der GVD. In seiner Stellungnahme vom 30. November 2010 führte der MDK nach Einsicht in die Patientenakte aus, dass die Überschreitung im Wesentlichen durch das AHB-Prozedere zustande gekommen sei. Eine Entlassung nach Hause sei vorher nicht möglich gewesen.

Am 17. Dezember 2010 rechnete die Beklagte in Höhe von 10.483,32 EUR (tagesbezogenes Entgelt bei GVD-Überschreitung sowie zu berücksichtigende Verringerungen der Systemzuschläge) im Rahmen einer Sammelrechnung auf.

Die Klägerin wandte sich gegen die Aufrechnung. In einer E-Mail der Beklagten an die Klägerin vom 28. Dezember 2010 heißt es dazu: "Wie wir ja gestern bereits telefonisch erörtert haben, stimmen Sie mit dem Medizinischen Dienst darüber überein, dass eine vollstationäre medizinische Behandlungsbedürftigkeit ab dem 12.01.2010 nicht mehr bestanden hat. Andere mit der medizinischen Behandlung in Ihrem Haus nicht im Zusammenhang stehende Gründe sind dafür verantwortlich gewesen, dass eine Entlassung nach Hause nicht erfolgen konnte. Die bereits bezahlte Rechnung ist von uns korrigiert worden."

Mit E-Mail vom 11. Dezember 2013 an die Beklagte bat die Klägerin, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Der Patient sei direkt in die AHB verlegt worden, eine Entlassung nach Hause sei nicht möglich gewesen. Auch eine Kurzzeitpflege sei medizinisch nicht vertretbar gewesen. Vom Antrag bis zur AHB seien 29 Tage vergangen, wobei das Krankenhaus kein Verschulden für die schleppende Bearbeitung durch die Krankenkasse treffe. Die Entscheidung des ...

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