Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2008 verpflichtet, der Klägerin für die Zeit von Juni 2008 bis März 2009 einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zu gewähren. Der Beklagte trägt die Kosten der Klägerin dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bei minderjährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft.

Die am 01.01.1998 geborene Klägerin steht mit ihrer Mutter und ihrem Bruder beim Beklagten seit Januar 2005 im Leistungsbezug. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und bei ihr ist (unter anderem) das Merkzeichen "G" anerkannt.

Am 26.03.2007 beantragte die Mutter der Klägerin einen Mehrbedarf wegen Behinderung für die Klägerin. Dieser Mehrbedarf wurde in der Folgezeit vom Beklagten auch zunächst bewilligt. Vor Erlass des Bewilligungsbescheids für die Zeit ab Juni 2008 fiel dem Beklagten auf, dass zum Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB XII vertreten wird, dass dieser nur volljährigen Personen zu gewähren sei. Aus diesem Grund bewilligte der Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 29.04.2008 für die Zeit von Juni 2008 bis März 2009 Leistungen ohne einen Mehrbedarf für die Klägerin. Hiergegen legte die Mutter der Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2008 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Bescheid vom 15.05.2008 als unbegründet zurückwies. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II ausscheide, weil die Klägerin "Sozialgeld" und keine "Regelleistung" beziehe, von welcher aber letztlich ein Mehrbedarf in Höhe von 17 % zu gewähren wäre, weshalb ein Mehrbedarf erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres in Betracht käme.

Hiergegen hat zunächst die Mutter der Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten am 16.06.2008 Klage erhoben und neben dem Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II zusätzlich einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung beantragt. Der Beklagte hat den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung der Mutter der Klägerin im Laufe des Verfahrens bereits zugesagt, woraufhin diese die diesbezügliche Klage zurückgenommen und auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts klargestellt hat, dass die Klage in Hinblick auf den Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II von ihrer Tochter, also der Klägerin, geführt werden soll.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 29.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2008 für die Zeit Juni 2008 bis März 2009 zu verpflichten, der Klägerin einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 N. 4 SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte bleibt bei seiner Auffassung, dass ein Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II nur Personen zu gewähren sei, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Er stützt seine Auffassung nunmehr auf ein Urteil der 8. Kammer des SG Aachen (SG Aachen, Urteil vom 30.05.2008, S 8 AS 36/08 n.v.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Die Klägerin hat Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II erhalten nichterwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt die Klägerin. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin eines Ausweises nach § 69 Abs. 5 des Neunten Buches mit dem Merkzeichen G. Ferner ist sie "nichterwerbsfähig" im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze ist hierfür nicht erforderlich. Sie ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift oder der Gesetzessystematik (hierzu unter 1.) noch ist sie in die Vorschrift aufgrund der Gesetzesbegründung hineinzulesen (hierzu unter 2.).

1. Das SGB II definiert den Begriff der Erwerbsfähigkeit an sich in § 8 SGB II. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Begriff des "nichterwerbsfähigen" kann somit so verstanden werden, dass nur solche Personen hierunter zu subsumieren sind, die "wegen Krankheit oder Behinderung" auf absehbare...

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