Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeld. Mehrbedarf für nicht erwerbsfähige Personen mit Gehbehinderung. keine Nichterwerbsfähigkeit bei Kindern unter 15 Jahren. Verbot der Kinderarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Ein fünfjähriges in einer Bedarfsgemeinschaft lebendes Kind, das Sozialgeld nach § 28 SGB 2 bezieht, hat auch bei Feststellung des Merkzeichens "G" in seinem Schwerbehindertenausweis keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 S 3 Nr 4 SGB 2.

 

Orientierungssatz

1. Unter Berücksichtigung des Begriffs der Erwerbsfähigkeit iS des § 8 Abs 1 SGB 2, ist nichterwerbsfähige Person iS von § 28 Abs 1 S 3 Nr 4 SGB 2, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

2. Ein anderes Ergebnis kann auch nicht aus der zum 1.8.2006 erfolgten Änderung des § 28 Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 2 gefolgert werden.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.05.2008 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II.

Der am 00.00.2002 geborene Kläger lebt gemeinsam in einem Haushalt mit seinem Vater, seiner Mutter und seinem 2005 geborenen Bruder. Die genannten Personen erhalten von der Beklagten mit einer Unterbrechung von September bis November 2006 seit Juni 2006 Leistungen nach dem SGB II. Im streitrelevanten Zeitraum handelte es sich um ergänzende Leistungen neben dem in der Höhe wechselnden Erwerbseinkommen des Vaters. Der Kläger leidet u. a. an einem Morbus Down. Er ist mit Wirkung ab dem 11.11.2002 als Schwerbehinderter mit einem GdB von 100 und den Merkzeichen "G", "B" und "H" anerkannt. Seit Februar 2007 ist zusätzlich ein Diabetes mellitus Typ I bei ihm bekannt.

Mit Bescheid vom 29.11.2008 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 in Höhe von insgesamt 1209,00 EUR. Dabei berücksichtigte sie keinen Mehrbedarf nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II. Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2006 Widerspruch, der sich ausschließlich gegen die Nichtberücksichtigung dieses Mehrbedarfes richtete. Am 23.03.2007 beantragte er unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, da er seit Februar 2007 zusätzlich an einem Diabetes mellitus Typ I erkrankt sei. Mit Bescheid vom 18.07.2007 lehnte die Beklagte die Bewilligung eines Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung ab. Der Kläger könne sich im Prinzip ernähren wie jeder Nichtdiabetiker. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid keinen Widerspruch eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.11.2008 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 06.06.2007 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Az. S 31 AS 216/07). Mit Bescheid vom 03.07.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für die Zeit vom 01.12.2006 bis zum 31.05.2007 monatliche Leistungen in Höhe von 1244,19 EUR nunmehr unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II i. H. v. 17 vom Hundert des für den Kläger maßgeblichen Regelsatzes. Mit Bescheid vom 03.07.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft auch für die Zeit vom 01.06.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen in Höhe von 1244,19 EUR wiederum unter Berücksichtigung dieses Mehrbedarfs. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit Az. S 31 AS 216/07 am 18.07.2007 für erledigt.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.11.2007 bewilligte die Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 01.12.2007 bis zum 31.05.2008 in Höhe von monatlich 883,09 EUR ohne Anerkennung des Mehrbedarfs nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II für den Kläger.

Hiergegen erhob der Kläger am 27.11.1997 Widerspruch, der sich gegen die Nichtanerkennung des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II richtete. Die Beklagte habe diesen Mehrbedarf im Verfahren S 31 AS 216/07 selbst anerkannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2007 (zugestellt am 02.01.2008) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Mit der Einfügung des Mehrbedarfes nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II in das SGB II habe eine wegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebotene Gleichstellung gegenüber Empfängern von Sozialhilfe nach dem SGB XII hergestellt werden sollen. Für den Bereich der Sozialhilfe sei aber anerkannt, dass der Mehrbedarf wegen Feststellung des Merkzeichens "G" nur bei Personen in Betracht komme, die vom Alter her einer Erwerbstätigkeit nachgehen könnten. Dies sei bei dem 2002 geborenen Kläger aber nicht der Fall. Mit Bescheid vom 17.01.2008 nahm sie unter Berücksichtigung der geänderten Einkommensverhältnisse des Vaters im Monat Dezember eine "Neuberechnung" vo...

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