Zusammenfassung

 
Begriff

Selbstbeschaffung bedeutet, dass der Leistungsberechtigte sich eine Leistung ohne Tätigwerden des Leistungsträgers beschaffen und anschließend Kostenerstattung vom Leistungsträger verlangen kann, wenn die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die selbstbeschaffte Leistung vorlagen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: Rechtsgrundlage für die Selbstbeschaffung ist § 36a Abs. 3 SGB VIII. Ein häufiger Anwendungsfall ist der Kostenerstattungsanspruch für eine privat organisierte Kinderbetreuung, wenn den Eltern nicht rechtzeitig ein Betreuungsplatz nach § 24 SGB VIII zur Verfügung gestellt wird (BVerwG, Urteil v. 12.9.2013, 5 C 35.12). Ein Anspruch auf Zuweisung eines Betreuungsplatzes in einer Tageseinrichtung besteht nicht, wenn die Kapazitäten des Jugendhilfeträgers ausgeschöpft sind (Sächsisches OVG, Beschluss v. 11.3.2020, 3 B 327/19).

Das Selbstbeschaffungsrecht für Rehabilitationsleistungen nach § 18 SGB IX ist für die Jugendhilfe (teilweise) ausgeschlossen.

1 Steuerungsverantwortung des Jugendamts

Die Steuerungsverantwortung oder auch das "Entscheidungsmonopol" liegt beim Jugendamt.[1] Ohne dessen vorherige Entscheidung können Leistungsberechtigte im Allgemeinen keine Leistungen in Anspruch nehmen.

2 Ausnahmen

2.1 Unaufschiebbarkeit

Die sog. Selbstbeschaffung ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Steuerungsverantwortung des Jugendamts. Dabei decken Leistungsberechtigte ihren Hilfebedarf selbst und haben einen Anspruch auf Kostenerstattung gegen den Jugendhilfeträger. Dieser Erstattungsanspruch ist nur gegeben, wenn der Jugendhilfeträger die Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder zu Unrecht abgelehnt hat.

Das Gesetz nennt 3 Voraussetzungen, unter denen ein Erstattungsanspruch besteht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte diese bereits in mehreren Urteilen herausgearbeitet.[1]

2.1.1 Kenntnis des Jugendamts über den Bedarf

Der Leistungsberechtigte muss den Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Hilfebedarf informieren ("angemeldeter Bedarf"). Der Bedarf kann auch nachgemeldet werden.[1]

Erst dann kann er sich die Leistung selbst beschaffen. Ist das nicht möglich, muss es unverzüglich nachgeholt werden. So soll sichergestellt werden, dass der Träger überhaupt die Möglichkeit erhält, selbst zu entscheiden und nicht als bloße "Zahlstelle" missbraucht wird.

Der Antrag bedarf keiner bestimmten Form. Das Bundesverwaltungsgericht betont aber, er müsse so rechtzeitig erfolgen, dass der Jugendhilfeträger die Anspruchsvoraussetzungen und die möglichen Hilfemaßnahmen pflichtgemäß prüfen kann.[2]

[1] Bayerischer VGH, Beschluss v. 25.6.2019, 12 ZB 16.1920 und 12 ZB 16.1967.
[2] BVerwG, Beschluss v. 22.5.2008, 5 C 130.07.

2.1.2 Voraussetzungen der konkreten Hilfeleistung

Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Leistungsnorm im SGB VIII für die konkrete Hilfeleistung müssen vorliegen. Die Kosten werden nur erstattet, wenn sicher ist, dass das Jugendamt die Hilfe auch gewähren muss. Andernfalls hätte dies der Leistungsberechtigte in der Hand.

2.1.3 Zeitliche Dringlichkeit

Der Kostenerstattungsanspruch ist für Situationen gedacht, in denen schnell gehandelt werden muss. Bis zur Entscheidung des Jugendamts über die Leistung kann manchmal nicht gewartet werden. Auch in Fällen des Eilrechtsschutzes[1]

kommt die Entscheidung des Gerichts über eine zu Unrecht abgelehnte Leistung ggf. zu spät.[2]

2.2 Ambulante Hilfen

Ambulante Hilfen sollen niedrigschwellig erfolgen. Daher erlaubt § 36a Abs. 2 SGB VIII ihre unmittelbare Inanspruchnahme. Ambulante Hilfen sind alle Hilfen, für die kein Hilfeplan[1]

aufgestellt werden muss (z. B. Hilfen nach §§ 29, 30 und 31 SGB VIII).

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