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Die Frage, ob die für anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen geltenden Auftragsanreize, nämlich den Auftraggebern die Anrechnung erteilter Aufträge auf die zu zahlende Ausgleichsabgabe zu ermöglichen (vgl. hierzu im Einzelnen § 223), auch auf Betriebe und Unternehmen, die in erheblichem Umfang schwerbehinderte Menschen beschäftigen, also etwa auf "Integrationsprojekte" mit einem Mindestanteil besonders betroffener schwerbehinderter Menschen von 25 % erweitert werden sollte, ist bei den Beratungen zum Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 von den Ländern thematisiert worden (Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 428/16, Beschluss zu Nr. 66), eine Einführung mit Wirkung ab dem Jahre 2018 gefordert worden. Die Bundesregierung hat dies in ihrer Gegenäußerung (BT-Drs. 18/9954) abgelehnt und im wesentlichen damit begründet, dass dieser Nachteilsausgleich auch angesichts der unterschiedlichen beschäftigten Personengruppen in den Werkstätten und in den Integrationsprojekten, in denen neben den schwerbehinderten Menschen auch Menschen ohne Behinderungen beschäftigt seien, auch künftig ausschließlich den Werkstätten vorbehalten bleiben solle. Durch die Anrechnung der Ausgleichsabgabe auf Aufträge gingen im Übrigen auch Ausgleichsabgaben verloren, die sonst für Zwecke der Förderung zur Verfügung stehen könnten. Das Anliegen der Länder wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht weiter verfolgt.

Die Möglichkeit der Anrechnung von Aufträgen auf die Ausgleichsabgabe ist ein Instrument der Auftragsförderung und Auftragsbeschaffung, das zugleich einen Wettbewerbsvorteil bedeutet. Sie stellt zugleich einen Wettbewerbsnachteil für Mitbewerber auf dem gleichen Markt dar. Dieses Instrument muss restriktiv, auf anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen begrenzt und konzentriert eingesetzt werden. Es kann nicht auch zu Gunsten von Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingesetzt werden, auch wenn diese einen besonderen Zweck wie die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verfolgen, aber doch (Sonder-)Formen des allgemeinen Arbeitsmarktes darstellen. Solche Unternehmen stehen in Wettbewerb zu anderen Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, selbst dann, wenn sie in erheblichem Umfang schwerbehinderte Menschen beschäftigen.

Die Ausweitung der Auftragsbeschaffungshilfen über die Geltung für anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen hinaus auch auf Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen, die das Instrument der Auftragsbeschaffungshilfen insgesamt in Frage stellen könnten. Sie würde auch dazu führen, dass Aufträge, die bislang an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen vergeben wurden und so dort zur Beschäftigung behinderter Menschen verhelfen, denen wegen ihrer Behinderung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verschlossen bleibt, verstärkt an Inklusionsbetriebe vergeben würden. Hierdurch würde die Wettbewerbsfähigkeit der Werkstätten negativ beeinflusst und die Beschäftigungsmöglichkeiten behinderter Menschen, die auf diese Einrichtungen angewiesen sind, verschlechtert.

Würde das bisherige Auftragsvolumen an anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen, durch das die Ausgleichsabgabe bereits in erheblichem Umfang in Anspruch genommen wird, durch zusätzliche Auftragsbeschaffungshilfen an Inklusionsbetriebe erhöht, würde dies auch Auswirkungen auf die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in den Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Arbeitsmarktes insgesamt haben, weil weitere Mittel der Ausgleichsabgabe hierdurch in Anspruch genommen würden. Es würde zu weiteren Einnahmeausfällen bei der Ausgleichsabgabe führen.

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