0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Der Inhalt der Vorschrift ist durch Art. 1 AFRG v. 24.3.1997 (BGBl. I S. 594) als § 186 in das SGB III eingefügt worden. Der Wortlaut der Vorschrift ist danach durch das Gesetz v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung zum 1.4.2004 neu gefasst worden. Zuletzt ist die Vorschrift durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Der Inhalt von § 186 a. F. ist nun in § 168 enthalten, ohne dass sich inhaltliche Veränderungen ergeben hätten. Die in § 186 Satz 4 a. F. enthaltene Regelung, nach der der Vorschuss zu erstatten ist, soweit ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht oder nur in geringer Höhe zuerkannt wird, ist nun in Satz 4 Nr. 1 und 2 enthalten.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

Die Vorschrift ermöglicht abweichend von § 42 SGB I, der das Feststehen des Anspruchs dem Grunde nach voraussetzt, die Gewährung von Vorschüssen noch vor der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber damit auf die Verzögerungen bei der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens reagiert, die auf die gestiegene Zahl von Verfahren und die häufig schwierige Feststellung der Vermögenslage des Arbeitgebers zurückgeführt werden. Der durch die Insolvenz in der Lebensführung gefährdete Arbeitnehmer soll durch die Zahlung eines Vorschusses geschützt werden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens richtet sich die Vorschussgewährung nach § 42 SGB I.

2 Rechtspraxis

2.1 Voraussetzungen der Vorschussgewährung (Satz 1)

 

Rz. 2

Die Agentur für Arbeit kann einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld erbringen, wenn

  1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt ist,
  2. das Arbeitsverhältnis beendet ist, also auch der 3-Monats-Zeitraum i. S. d. 165 Abs. 1 feststeht, und
  3. die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt werden.

Daneben ist – obwohl nicht ausdrücklich erwähnt – ein Antrag auf Insolvenzgeld Voraussetzung für die Vorschussgewährung.

 

Rz. 3

Der Vorschuss kann gewährt werden, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers beantragt ist, Satz 1 Nr. 1. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss bereits beantragt sein (Kühl, in: Brandt, SGB III, § 168 Rz. 4). Im Falle der vollständigen Einstellung des Betriebes ohne Eröffnungsantrag (§ 165 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) kommt eine Vorschussgewährung nicht in Betracht. Ob die Voraussetzungen nach § 168 Satz 1 Nr. 1 vorliegen, ist durch eine entsprechende Anfrage beim zuständigen Insolvenzgericht festzustellen. Einer zusätzlichen Glaubhaftmachung des Insolvenzereignisses bedarf es nicht.

 

Rz. 4

Weitere Voraussetzung für die Vorschussgewährung ist nach Satz 1 Nr. 2, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Mit dieser Regelung soll eine Vorfinanzierung über einen längeren Zeitraum vermieden werden. Entscheidend ist die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Insofern kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung, sondern auf das Ende der Kündigungsfrist an. Es genügt daher nicht, wenn zwar ein Beendigungssachverhalt (z. B. Kündigungsschreiben) vorliegt, das Arbeitsverhältnis selbst aber zum Zeitpunkt der Beantragung des Vorschusses noch besteht.

 

Rz. 5

Schließlich kann der Vorschuss nur dann gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfüllt sind. Nicht erforderlich ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die bloße Möglichkeit, dass der Anspruch besteht, ist nicht ausreichend. Hinreichend ist die Wahrscheinlichkeit, wenn bei Berücksichtigung aller Umstände die für den Anspruch auf Insolvenzgeld sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf begründet werden kann.

 

Rz. 6

Der Vorschuss wird auf Antrag gewährt (Kühl, in: Brand, SGB III, § 168 Rz. 7; a. A. Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 168 Rz. 30, Entscheidung von Amts wegen möglich). Der Antrag kann formlos gestellt werden. Die Entscheidung über die Vorschussgewährung ist ein Verwaltungsakt. Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und ist das Arbeitsverhältnis beendet, hat die Agentur für Arbeit eine Prognose über das Erfüllen der Anspruchsvoraussetzungen für das Insolvenzgeld zu stellen. Sie wird i. d. R. die arbeitgeberbezogenen Anspruchsvoraussetzungen (Überschuldung) als erfüllt ansehen. Ausschlaggebend ist daher die nach den Gesamtumständen glaubhafte Erklärung des Arbeitnehmers, dass und in welchem Umfang für den 3-Monats-Zeitraum zustehendes Arbeitsentgelt nicht gezahlt worden ist. Die Agentur für Arbeit wird regelmäßig gemäß § 60 SGB I vom Arbeitnehmer die letzte Entgeltabrechnung verlangen. Sie wird sich ggf. auch vom Arbeitgeber bestätigen lassen, in welchem Umfang noch Arbeitsentgelt aussteht. Die Vorschussgewährung ist grundsätzlich in das Ermessen der Agentur für Arbeit gestellt ("kann"). Die Ermessensentscheidung betrifft sowohl das "Ob" als auch die Höhe der Vorschussgewährung. Legt der Arbeitnehmer die Notwen...

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