Rz. 42

Abs. 3 ist unabhängig davon anzuwenden, ob Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Grundsicherungsleistungen pandemiebedingt eingetreten ist oder nicht (Bay. LSG, Beschluss v. 21.4.2021, L 16 AS 129/21 B ER). Den Jobcentern ist es untersagt, zusammen oder in zeitlichem Zusammenhang mit der Leistungsbewilligung für den Bewilligungsabschnitt Prozessschritte i. S. v. § 22 Abs. 1 Satz 3 (Kostensenkungsverfahren) einzuleiten. Dies würde dem Ziel des Gesetzes, die von den Auswirkungen der Pandemie betroffenen Menschen die Sorge um die Leistungen für Unterkunft und Heizung zu nehmen, nicht gerecht. Deshalb sind sie zu diesem Zeitpunkt auch nicht auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 hinzuweisen. Vielmehr werden für den maßgebenden Zeitraum nach Abs. 1 und Abs. 3 Leistungen zu den unangemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung rechtmäßig gewährt. Dafür kommt es nicht darauf an, dass eine Wohnung bereits seit längerer Zeit bewohnt wird (SG Heilbronn, Beschluss v. 26.3.2021, S 8 AS 380/21). Entscheidungen über die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Fällen mit einem Bewilligungsabschnitt in 2022, die nach 2023 hineinreichen, wurden aufgrund des nach Abs. 3 maßgebenden früheren Rechts getroffen (zum Übergangsrecht vgl. Rz. 49b).

 

Rz. 43

Das Verfahren nach § 22 Abs. 1 Satz 3 ist erst nach Ablauf von 6 Monaten des nach Maßgabe des Abs. 1 maßgebenden Bewilligungszeitraumes einzuleiten, es sei denn, die Begünstigung des Abs. 3 ist erneut festzustellen. Das bedeutet, dass die in § 22 Abs. 1 Satz 3 enthaltene Frist von im Regelfall längstens 6 Monaten auch erst zu diesem Zeitpunkt beginnt. Das legt Abs. 3 Satz 2 ausdrücklich fest. Auch wenn § 22 Abs. 1 Satz 3 die Möglichkeit eröffnet, den Zeitraum von 6 Monaten zu verkürzen, weil das Gesetz diesen Zeitraum als den im Regelfall längsten Zeitraum angibt, ist es dem Jobcenter verwehrt, wegen der Übergangsregelung in § 67 in irgendeiner Form Zeiten aus dem begünstigten Zeitraum auf die Frist von 6 Monaten anzurechnen.

 

Rz. 44

Im Regelfall ergibt sich damit ein Zeitraum von einem Jahr, für den unangemessene Kosten für Unterkunft und Heizung gleichwohl durch das Jobcenter übernommen werden. Eine Fristverkürzung aus anderen Gründen, die von § 67 unabhängig sind, ist dagegen nicht ausgeschlossen. Allerdings kommt es zunächst nicht darauf an, ob die Hilfebedürftigkeit oder ein vorangegangener Umzug auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind (Bay. LSG, Beschluss v. 28.7.2021, L 16 AS 311/21 B ER). Der Zeitraum verlängert sich, wenn aufgrund von Bewilligungszeiträumen, die auf 6 Monate festgelegt wurden, ein neuer Bewilligungszeitraum (erneut) in den Zeitraum des Abs. 1 fällt und damit erneut ein vereinfachter Zugang zur Grundsicherung zu gewähren ist (vgl. Bay. LSG, Beschluss v. 21.4.2021, L 16 AS 129/21 B ER). Nachdem der Zeitraum nach Abs. 1 zwischenzeitlich auf 13 Monate festgelegt worden ist, käme eine erneute Anwendung des vereinfachten Zuganges auch in Betracht, wenn der vorausgegangene Bewilligungszeitraum ab 1.3.2020 12 Monate betragen hat. Im Ergebnis ist nach mehr als einem Jahr praktischer Anwendung der Vorschrift festzuhalten, dass sich daraus kein systematischer Leistungsmissbrauch entwickelt hat.

 

Rz. 45

Von der Sonderregelung des Abs. 3 unberührt bleibt auch der Umstand, dass aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles der Bedarf noch so lange weiterhin anzuerkennen ist, wie es dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Insoweit bleibt die Möglichkeit erhalten, dass im Einzelfall unangemessene Aufwendungen auch über ein Jahr hinaus vom Jobcenter als Leistung nach § 22 Abs. 1 gewährt werden.

 

Rz. 46

Der Vorschrift dürfte insbesondere auch die Motivation zugrunde liegen, Eigentümer und Mieter nicht unterschiedlich zu behandeln. Wenn aber nach Abs. 2 befristet die Vermögensberücksichtigung für viele Fälle ausgesetzt wird, wird dadurch allerdings auch der Eigentümer geschützt, dessen Immobile nicht durch § 12 Abs. 3 geschützt wäre, weil sie selbst genutzt wird und von angemessener Größe ist, weil sie kein erhebliches verwertbares Vermögen darstellt, denn es handelt sich nicht um liquide Mittel. Daraus folgt die Überlegung, eine entsprechende Erleichterung für unangemessene Wohnungen von Mietern zu schaffen, allein noch nicht. Hinsichtlich weiterer Vermögen, etwa Lebensversicherungen u. a., werden sowohl Eigentümer wie auch Mieter von der Begünstigung gleichermaßen erfasst. Eine Ungleichbehandlung kann sich jedoch daraus ergeben, dass zwischen Neufällen und laufenden Fällen unterschieden wird oder Bewilligungszeiträume unterschiedlich lange festgestellt werden. Im Ergebnis kann dies aus verfassungsrechtlicher Sicht hinzunehmen sein, soweit auch Mieter profitieren können, deren Absenkung noch nicht bestandskräftig ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Jobcenter aufgrund der ...

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