Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. vorläufige Leistungsbewilligung. Unterkunft und Heizung. unangemessene Unterkunftskosten. Kostensenkungsaufforderung. Ablauf des Übergangszeitraums. neuer Bewilligungszeitraum. Anwendung der Übergangsregelung während der COVID-19-Pandemie. Angemessenheitsfiktion für die Unterkunftskosten. mögliche Rechtsmittel gegen die bindende Absenkung der Unterkunftskosten auf die Angemessenheitsgrenze für nur einen Monat im vorangegangenen Bewilligungsabschnitt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 67 Abs 3 SGB II findet auch Anwendung, wenn die Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Corona-Pandemie eingetreten ist. Sie gilt nicht nur für Erstbewilligungen, sondern umfasst auch die in dem in § 67 Abs 1 SGB II genannten Zeitraum beginnenden Weiterbewilligungszeiträume.

2. Ein Kostensenkungsverfahren scheidet im Geltungszeitraum des § 67 SGB II nicht generell aus. Nach Ablauf der sechs Monate gilt die allgemeine Regelung des § 22 Abs 1 SGB II wieder, wobei der Zeitraum nach § 67 Abs 3 S 1 SGB II auf die in § 22 Abs 1 S 3 SGB II genannte Frist anzurechnen ist.

3. Die Anwendung des § 67 Abs 3 S 1 SGB II ist nicht durch § 67 Abs 3 S 3 SGB II ausgeschlossen, wenn der Hilfebedürftige nach einer bindenden Absenkung der Kosten der Unterkunft auf die Angemessenheitsgrenze für nur einen Monat im vorangegangenen Bewilligungsabschnitt noch eine endgültige Festsetzung nach § 41a SGB II beantragen kann und die Tatbestandsvoraussetzungen eines Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X offenkundig erfüllt sind.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 15. Februar 2021 abgeändert und der Beschwerdegegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, der Beschwerdeführerin weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von monatlich 399,20 € für die Zeit von Februar bis Juli 2021 zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdegegner trägt 9/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin in beiden Instanzen.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts München, mit dem ihr Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt wurde. In der Sache begehrt sie die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) insbesondere unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) für die Zeit von Februar bis Juli 2021.

Die 1966 geborene Bf bewohnt eine ca. 95 qm große 3-Zimmer-Wohnung in A-Stadt, für die sie monatlich 1.150 € Gesamtmiete (850 € Grundmiete, 75 € Vorauszahlung Betriebskosten, 180 € Vorauszahlung Heizung/Warmwasser, 45 € Garagenstellplatz) schuldet. Die Bf bezieht eine Witwenrente in Höhe von monatlich 24,71 €. Ihr Gewerbe " S-Wirtschaft" meldete die Bf im September 2019 ab. Mit Beschluss vom 19.02.2020 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bf eröffnet. Ab Juli 2020 übte sie eine geringfügige Beschäftigung als Reinigungskraft aus, wofür sie monatlich 100 € brutto/netto erhält.

Sie beantragte erstmals Ende Oktober 2019 Leistungen nach dem SGB II beim Bg.

Mit Schreiben vom 25.11.2019 wies der Bg die Bf auf die nach seiner Auffassung angemessene Kaltmiete von 403 € monatlich hin. Er forderte die Bf zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf und bat um Vorlage der Nachweise zu Kostensenkungsbemühungen binnen vier Wochen nach Erhalt des Schreibens. Nach längstens sechs Monaten würden nur noch die angemessenen Kosten berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 02.12.2019 und Änderungsbescheid vom 11.02.2020 bewilligte der Bg der Bf für die Zeit November 2019 bis April 2020 vorläufig Leistungen, wobei er neben dem Regelbedarf (424 € monatlich) die tatsächlichen KdUH inklusive Kosten der Garage in Höhe von 1105 € als Bedarf berücksichtigte. Ein Einkommen wurde nicht in Abzug gebracht. Zudem wurde ein Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von etwa 190 € monatlich bis Dezember 2019 bewilligt. Die Vorläufigkeit wurde mit einer unklaren Einkommenssituation begründet.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 12.03.2020 bewilligte der Bg der Bf mit Bescheid vom 23.03.2020 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Mai 2020 bis April 2021. Neben dem Regelbedarf berücksichtigte der Bg ab Juni 2020 einen Bedarf an KdUH in Höhe von insgesamt 658 € (Grundmiete 403 €, Heizkosten 180 €, Nebenkosten 75 €). Dagegen legte die Bf Widerspruch ein.

Am 23.03.2020 hielt der Bg in einem Aktenvermerk fest, dass die Bf mehrere Zeitungsannoncen und Internetangebote über Mietwohnungen mit Kommentaren wie "schon vergeben" eingereicht habe. Viele davon seien mehr als unangemessen oder im Ausland (Leutasch/Österreich). Die Bf teilte dem Bg mit, dass sich die Wohnungssuche sehr schwierig gestalte. Zudem besitze sie zwei Hunde, die häuf...

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