Rz. 14

Die Aufrechnung richtet sich im Grundsatz nach den Regeln der §§ 387 ff. BGB (allg. Meinung vgl. Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 13, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 7.2.2007, B 6 KA 6/06 R; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 43 Rz. 24). Aufgerechnet wird durch Erklärung gegenüber dem Leistungsempfänger. Haben mehrere Personen einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen erhalten, ist nur der Einzelanspruch gegenüber dem jeweiligen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft aufrechenbar.

 

Rz. 15

Eine Aufrechnung bewirkt die wechselseitige Tilgung sich gegenüberstehender Forderungen. Dabei muss im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung eine Aufrechnungslage bestehen (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 4; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 13). Es müssen sich also gegenseitige und gleichartige Forderungen gegenüberstehen (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 4; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 13). Gleichartigkeit ist gegeben, wenn beide Forderung, die sich gegenüberstehen, Geldforderungen sind (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 5; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 17). Insofern muss es sich auch bei der Hauptforderung um einen Anspruch auf eine Geldleistung handeln. Gegenüber Dienst- und Sachleistungsansprüchen des Leistungsberechtigten kommt daher eine Aufrechnung nach § 43 nicht in Betracht (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 7).

 

Rz. 16

Haupt- und Gegenforderung müssen dabei nicht aus dem gleichen Rechtsverhältnis stammen (allg. Meinung vgl. Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 18). Gegenseitigkeit liegt vor, wenn der Leistungsträger und der Leistungsberechtigte zugleich Gläubiger und Schuldner sind (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 6; Fachliche Weisungen der BA zu § 43, Stand: 4.8.2016).

 

Rz. 17

Bei den Jobcentern i. S. v. § 44b ist es unabhängig, in wessen Trägerschaft die geschuldete Leistung und die geforderte Geldleistung erbracht wird. Die Kostenträgerschaft ist unerheblich, weil Bürgergeld und Sozialgeld als einheitliche Leistung zu betrachten sind und die Jobcenter als eigenständige Behörden handeln. Insofern handelt es sich um eine Gesamtleistung und eine Gesamtschuld (Fachliche Weisungender BA zu § 43, Stand: 4.8.2016). Nach der Praxis der Bundesagentur für Arbeit können Forderungen einer gemeinsamen Einrichtung nicht mit Leistungsansprüchen des Hilfebedürftigen gegen eine andere gemeinsame Einrichtung aufgerechnet werden, wenn es sich nicht um Leistungen in Trägerschaft der Bundesagentur für Arbeit handelt. Jobcenterübergreifend können nach der Praxis der Bundesagentur für Arbeit nur Leistungsansprüche im Rahmen der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit gegen entsprechende Forderungen einer anderen gemeinschaftlichen Einrichtung aufgerechnet werden (Fachliche Weisungen der BA zu § 43, Stand: 4.8.2016; krit. dazu LSG München, Urteil v. 10.3.2017, S 46 AS 372/15, wonach eine solche Teilaufrechnung für den Teil der Erstattungsforderung, der auf die Bundesagentur für Arbeit entfällt, nicht möglich ist).

 

Rz. 18

Insofern ist nur bei Gegenseitigkeit von Gegenforderung der Behörde und Hauptforderung des Leistungsempfängers eine Aufrechnung nach § 43 möglich. Eine Aufrechnung mit der Gegenforderung einer anderen Behörde ist insofern über § 43 nicht zulässig (SG München, Urteil v. 10.3.2017, S 46 AS 372/15; Conradis, in: Münder/Geiger, SGB II, § 43 Rz. 6; Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 6). Das Kriterium der Gegenseitigkeit schließt es auch aus, dass Forderungen gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gegen Ansprüche eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft aufgerechnet werden (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 43 Rz. 6; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 43 Rz. 18; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 43 Rz. 25). Begründet wird dies damit, dass es sich bei den Ansprüchen nach dem SGB II trotz Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft um individuelle Ansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft handelt.

 

Rz. 19

Durch § 43 wird dem Grundsicherungsträger die erleichterte Durchsetzung von Erstattungs- und Ersatzansprüchen ermöglicht. Leistungsberechtigte nach dem SGB II sind hierdurch vor der Durchsetzung dieser Ansprüche weniger geschützt als dies nach §§ 51 und 54 SGB I und nach § 394 BGB i. V. m. §§ 850 ff. ZPO der Fall ist. Insoweit ist es dem Leistungsberechtigten versagt, sich auf die zivilrechtlichen Pfändungsschutzvorschriften zu berufen (BSG, Urteil v. 9.3.2016, B 14 AS 20/15 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.4.2018, L 12 AS 1213/16). Für die Aufrechnung ist es unerheblich, ob die Forderung des Hilfebedürftigen noch nicht fällig war. Ausreichend ist, dass die Forderung erfüllbar ist (BSG, Urteil v. 9.3.2016, B 14 AS 20/15 R m. w. N.).

 

Rz. 20

Die Aufrechnung ist ein belastender Verwaltungsakt und nicht nur eine einseitige schuldrechtliche Erklärung. Er hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.4.2018, L 12 AS 1213/16; Conradis, in: Münder/Geiger, SGB II, § 43 Rz. 14). Die A...

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