Rz. 3

Die Erstattungsfähigkeit der Kosten ist nur bei einem Aufenthalt in einem Frauenhaus gegeben. Bei Frauenhäusern handelt es sich um Zufluchtsstätten für Frauen (und evtl. ihre Kinder), die von ihren Partnern physisch oder psychisch misshandelt wurden und sich dementsprechend in einer Gefährdungssituation befinden (König, in: BeckOK, SGB II, § 36a Rz. 6; Paulenz/Schoch, in: Münder/Geiger, SGB II, § 36a Rz. 1). Kennzeichnend ist dabei, dass die Frauen ihre Selbstständigkeit, d. h. die eigenständige Lebensgestaltung bewahren sollen. Aus Sicherheitsgründen werden die Adressen der Gebäude nicht in öffentlichen Verzeichnissen publiziert. Männern wird normalerweise grundsätzlich der Zutritt verweigert. Die Beratung erfolgt durch die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser sowie durch mit den Frauenhäusern kooperierende Psychologinnen, Rechtsanwältinnen und Sozialarbeiterinnen. Auf den Träger des Frauenhauses kommt es dabei nicht an. Träger können sowohl öffentlich-rechtliche Organisationen als auch private Institutionen sein. Frauenhäuser im Sinne von § 36a können sowohl ganze Häuser als auch einzelne Wohnungen sein (König, a. a. O., Rz. 6). Keine Frauenhäuser sind Krankenhäuser, psychiatrische Einrichtungen oder Projekte für ein betreutes Wohnen. Noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist die Frage, ob auch Einrichtungen, die auch der Zuflucht von Männern dienen, Frauenhäuser i. S. der Vorschrift sind (verneinend: König, a. a. O., Rz. 7, Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36a Rz. 17 unter Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bewusst die Folgen einer Zufluchtnahme von Frauen und deren Kinder in Frauenhäusern regeln wollte).

 

Rz. 4

Die Kostenerstattung nach § 36a findet statt, wenn eine Person in einem Frauenhaus "Zuflucht" sucht. Zuflucht ist das Aufsuchen eines Frauenhauses mit dem Ziel, dort vorübergehend Schutz zu erhalten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 AS 551/19; Schlegel/Voelzke, in: jurisPK-SGB II, § 36a Rz. 8. Aus welchen Gründen eine Aufnahme in das Frauenhaus erfolgt ist, ist nicht entscheidend (a. A. wohl Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36a Rz. 17, der verlangt, dass die Aufnahme in das Frauenhaus aufgrund einer Gefährdungssituation im Sinne von häuslicher Gewalt resultiert). Es kommt nach dem Gesetzeszweck auch nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Frauenhaus tatsächlich erforderlich war (so SG Heilbronn, Urteil v. 11.10.2018, S 15 AS 705/18). Nicht ausreichend ist allerdings, wenn der Aufenthalt im Frauenhaus allein der Vermeidung von Obdachlosigkeit diente (so wohl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 AS 551/19). Die Kostenerstattung greift damit zu dem Zeitpunkt, in dem die Frau in das Frauenhaus aufgenommen wurde. Auf die Dauer des Aufenthalts im Frauenhaus kommt nicht an. Allerdings sehen Richtlinien oder Weisungen teilweise vor bzw. empfehlen, dass bei einem Aufenthalt von mehr als 3 Monaten der kostenerstattungspflichtige Träger Auskunft darüber verlangen kann, warum der Aufenthalt weiterhin notwendig ist (z. B. Richtlinie des Landkreistags und Städtetags Baden-Württemberg zu § 36a, Stand: 3/2013; Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen v. 7.7.2009, II B 4 – 3761). Die Kostenerstattung endet mit dem Auszug der Frau aus dem Frauenhaus (BSG, Urteil v. 23.5.2012, B 14 AS 190/12; Böttiger, a. a. O., Rz. 33).

 

Rz. 5

Im Falle eines unmittelbaren Wechsels von einem Frauenhaus in ein in einem anderen Bezirk liegendes Frauenhaus wird nicht erneut "Zuflucht in ein Frauenhaus" i. S. v. § 36a "gesucht", vielmehr bleiben die betreffenden Personen in einem Frauenhaus, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen des ersten Halbsatzes des § 36a erfüllt sind, wenn nur ein Wechsel des Ortes des Frauenhauses stattfindet. Es bleibt daher der kommunale Träger der Leistungen am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts vor der Verlegung des Aufenthaltsorts in ein Frauenhaus zur Erstattung der Leistungen auch dann verpflichtet, wenn Hilfebedürftige von einem Frauenhaus in ein anderes Frauenhaus wechseln und damit ein anderer Träger des (zweiten) Frauenhauses für die Leistungserbringung zuständig wird (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.10.2011, L 12 AS 3169/10; SG Karlsruhe, Urteil v.16.7.2008, S 8 AS 4000/07).

 

Rz. 6

War vor dem Einzug der hilfebedürftigen Leistungsbezieherin kein gewöhnlicher Aufenthalt feststellbar, bleibt es bei der allgemeinen Zuständigkeitsregelung nach § 36 Abs. 1 Satz 4. Kann danach ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht festgestellt werden, so ist der Träger örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Fraglich ist, ob die Kostenerstattung nach § 36a voraussetzt, dass die Frau erst durch die Aufnahme im Frauenhaus hilfebedürftig wird oder ob die Vorschrift auch dann Anwendung findet, wenn die betroffene Person bereits vor ihrer Aufnahme im Frauenhaus bedürftig war. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift (finanzieller Schutz der Kommunen, die...

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