Rz. 4

In der Gesetzesformulierung wird nur auf den "gewöhnlichen Aufenthalt" Bezug genommen, ohne aber den im sonstigen Sozialrecht für die örtliche Zuständigkeit genannten Anknüpfungspunkt des "Wohnsitzes" zu nennen. Erst in der Gesetzesbegründung wird der "Wohnsitz" gleichberechtigt neben dem "gewöhnlichen Aufenthalt" genannt. Dort heißt es: "Zuständig für das Erbringen von Leistungen nach diesem Buch ist die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat." Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich daher entweder nach dem Wohnsitz und in Ermangelung desselben nach dem gewöhnlichen Aufenthalt (Böttiger, in Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36 Rz. 28; a. A.: Paulenz/Schoch, in: Münder/Geiger, SGB II, § 36 Rz. 5, danach ist entgegen der Gesetzesbegründung nur der gewöhnliche Aufenthalt maßgebend). Nicht im Gesetz geregelt ist, zu welchem Zeitpunkt der Wohnsitz genommen oder der gewöhnliche Aufenthalt begründet worden ist. Maßgeblich ist der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung (Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36 Rz. 34, unter Hinweis auf BSG, Beschluss v. 25.3.2012, B 14 AS 156/11 R; a. A. König, in: BeckOK, SGB II, § 36 Rz. 1, danach ist der Zeitraum entscheidend, für den Leistungen beantragt werden).

2.1.1 Wohnsitz

 

Rz. 5

Für den Wohnsitzbegriff gilt die Legaldefinition von § 30 Abs. 3 SGB I. Danach hat der Antragsteller seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er sie beibehalten und nutzen wird. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Wohnung ist dabei ein Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet ist. Dies ist dann nicht der Fall, wenn eine Unterbringung nur für eine vorübergehende Notsituation erfolgt. Der Wohnraum muss daher so beschaffen sein, dass er zur dauerhaften Unterkunft genutzt werden kann. Die alleinige Nutzungsmöglichkeit von Kochgelegenheiten bzw. sanitären Anlagen ist jedoch nicht erforderlich. Der Wohnsitz ist durch Personalausweis oder Meldebestätigung nachzuweisen. Wird der Antrag nicht bei dem für den Wohnsitz des Hilfebedürftigen zuständigen Träger gestellt, ist der gewöhnliche Aufenthalt des Hilfebedürftigen maßgebend.

2.1.2 Gewöhnlicher Aufenthalt

 

Rz. 6

Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat der Antragsteller dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 SGB I). Der gewöhnliche Aufenthalt muss sich im Inland befinden. Dabei müssen die Umstände erkennen lassen, dass sich der Hilfebedürftige an dem Ort nicht nur vorübergehend aufhält, sondern er an dem Ort seinen Lebensmittelpunkt hat (BSG, Urteil v. 17.12.2014, B 8 SO 19/13 R). Ein nur unbedeutender zeitlicher Aufenthalt (stunden- oder tageweise) begründet i. d. R. keinen gewöhnlichen Aufenthalt (Hess. LSG, Beschluss v. 18.9.2013, L 4 SO 328/12; Bay. LSG, Beschluss v. 21.6.2012, L 8 SO 132/10). Der "gewöhnliche Aufenthalt" kann bereits mit dem Tage des Zuzugs begründet werden. Entscheidend ist dabei die Prognose, inwieweit der neue Aufenthalt auf Dauer der Lebensmittelpunkt des Hilfebedürftigen sein wird. Das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts bestimmt sich primär an den objektiven Umständen, zu denen der Wille hinzukommt, länger an einem Ort zu verweilen. Objektives Kriterium für den gewöhnlichen Aufenthalt ist eine eigene Wohnung. Diese ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Ausreichend ist auch eine irgendwie geartete Behausungsmöglichkeit (OVG Thüringen, Urteil v. 1.7.1997, 2 KO 38/96; Münder, SGB II, § 36 Rz. 13). Ein bislang längerer Aufenthalt an einem Ort kann Indiz für einen gewöhnlichen Aufenthalt sein (Paulenz/Schoch, in: Münder/Geiger, SGB II, § 36 Rz. 12; Timme, in : LPK-SGB I, § 30 Rz. 8). Auch subjektive Vorstellungen des Leistungsberechtigten sind zu berücksichtigen (OVG Niedersachsen, Beschluss v. 12.4.2000, 4 L 4035/99). Allerdings wird der gewöhnliche Aufenthalt dann nicht begründet, wenn die Unterkunft zur Begründung eines vorläufigen Lebensmittelpunktes nicht geeignet ist (z. B. zeitweise Unterbringung in einer Turnhalle). Unerheblich ist die Feststellung des "gewöhnlichen Aufenthalts", wenn die Person in der Gemeinde ordnungsbehördlich gemeldet ist (Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36 Rz. 30).

 

Rz. 7

Für den Fall, dass der Betroffene sich an mehreren Orten mehr als nur vorübergehend aufhält, wird nach der einen Auffassung auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse abgestellt (so wohl LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 14.12.2015, L 5 AS 36/16). Nach anderer Auffassung besteht in diesen Fällen eine Zuständigkeit des zuerst mit der Sache befassten Trägers. Schließlich wird auch die Auffassung vertreten, dass der gewöhnliche Aufenthalt auch an mehreren Orten gegeben sein kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der Betroffene an 2 Orten Wohnungen unterhält und abwechselnd hier und dort lebt, wobei sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen an beiden Aufenthaltsort...

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