Rz. 159

Das BVerfG hat die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II jedenfalls im Juli 2014 für noch verfassungsgemäß gehalten. Zunächst hatte das BSG in 2 Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe nach dem SGB II Stellung genommen. In seinem ersten Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der ab 1.1.2011 maßgebenden Regelbedarfe hat das BSG im Wesentlichen festgestellt (BSG, Urteil v. 12.7.2012, B 14 AS 153/11 R):

  • Das SGB XII ist weiterhin Referenzsystem für die wertmäßige Bestimmung der pauschalierten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Daher ist die Höhe des Regelbedarfs neu zu ermitteln und in einem Bundesgesetz zu regeln, wenn die Ergebnisse einer neuen bundesweiten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorliegen.
  • Der Gesetzgeber hat den Umfang des konkreten gesetzlichen Anspruchs in einem transparenten und sachgerechten Verfahren auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren den Vorgaben des BVerfG entsprechend ermittelt.
  • Bei der Ermittlung des Regelbedarfes für Alleinstehende durfte der Gesetzgeber sich auf das Statistikmodell stützen.
  • Bei der Bestimmung der Referenzgruppe auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS 2008) anhand der unteren Einkommensgruppen hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum eingehalten.
  • Im Rahmen des Statistikmodells dürfen einzelne Ausgabepositionen durch den Gesetzgeber unberücksichtigt gelassen bleiben. Herausnahmen müssen nach den Vorgaben des BVerfG einzeln begründet werden und dürfen einen internen Ausgleich nicht unmöglich machen.
  • Ein interner Ausgleich bleibt durch die Bestimmung der regelleistungsrelevanten Ausgabepositionen und Ausgabebeträge möglich.
  • Der Gesetzgeber hat den ihm zuzugestehenden Spielraum bei der Kennzeichnung bedarfsrelevanter Verbrauchspositionen und der Verringerung bzw. der Herausnahme von Verbrauchspositionen nicht überschritten.
  • Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber sich bei der Entwicklung eines Fortschreibungsmechanismus an dem Statistikmodell orientiert hat. Die Fortschreibung der Regelbedarfe in Jahren ohne Neuermittlung nach § 28 SGB XII anhand eines Mischindexes aus Preis- sowie Lohn- und Gehaltsentwicklung ist verfassungsgemäß.

Das LSG Sachsen hat es im Hinblick auf getroffene und anhängige Entscheidungen abgelehnt, ohne weiteres Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die Regelbedarfe für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren) umstritten sind (LSG Sachsen, Beschluss v. 15.5.2013, L 3 AS 391/13 B PKH). Die materielle Kontrolle der Regelbedarfe beschränkt sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind, das ist nicht der Fall (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 9.1.2020, L 19 AS 251/19).

 

Rz. 160

Das BSG führt in seinen Entscheidungsgründen im Wesentlichen aus: Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass im SGB II nur der Regelbedarf von 364,00 EUR durch den Gesetzgeber festgelegt worden ist, wie auch das BVerfG bereits festgestellt hatte. Zusätzliche Bedarfe hat der Gesetzgeber durch Spezialvorschriften berücksichtigt.

 

Rz. 161

Das verfassungsrechtliche menschenwürdige Existenzminimum bedarf einer Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber. Die Leistungen sind an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und der bestehenden Lebensbedingungen auszurichten. Sie umfassen die physische Existenz, die Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß die Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (einheitliche grundrechtliche Garantie, vgl. zwischenzeitlich auch § 28). Bei den Wertungen, die mit der Bestimmung der Höhe des Existenzminimums verbunden sind, kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum in Form wertender Entscheidungen zur zeit- und realitätsgerechten Erfassung der sozialen Wirklichkeit zu. Zu den einzuräumenden wertenden Entscheidungen gehört z. B. die Nichtberücksichtigung von Alkohol, zur sozialen Wirklichkeit gehört die Nutzung von Smartphones zur Kommunikation. Der gesamte existenznotwendige Bedarf muss allerdings gedeckt sein. Hierfür gibt es keine Begrenzung auf nur eine richtige Ermittlungsmethode und ihrem Wirklichkeitsbezug. Allerdings muss der Gesetzgeber die eingesetzte Methode und die Berechnungsschritte nachvollziehbar offenlegen.

 

Rz. 162

Aus beobachtetem Ausgabeverhalten kann mittels empirisch-statistischer Methode ohne soziale Ausgrenzung das gesellschaftlich Übliche abgeleitet werden.

 

Rz. 163

Über die Referenzgruppe werden die vorrangig gedeckten Bedarfe durch die unteren Einkommensgruppen wie auch nicht für erforderlich gehaltene Ausgaben offen gelegt. Die Beschränkung der Bezugsgröße auf 15 % der Einpersonenhaushalte führt zu einer Erhöhung des absoluten oberen Grenzwertes der betrachteten, nach dem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte. Sie hatte insbesondere nicht zur Folge, dass sich die Zahl der Ausklammerungen mit hohem statistischen Unsicherheitsgrad ent...

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