Rz. 3

In § 15a wurde durch die Bürgergeld-Gesetzgebung ein Schlichtungsverfahren mit Wirkung zum 1.7.2023 eingerichtet. Darin kommt der kooperative Ansatz des Gesetzgebers zum Ausdruck, Integrationsarbeit zwischen dem Jobcenter und dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auf Augenhöhe zu organisieren.

 

Rz. 4

Ein Schlichtungsverfahren kann im Zuge der erstmaligen Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II eingeleitet werden oder aber auch bei dem Versuch, einen bereits vereinbarten Kooperationsplan fortzuschreiben, etwa nach 6 Monaten oder im Zusammenhang mit dem Ablauf eines Bewilligungsabschnittes. Aber auch zu jedem anderen Zeitpunkt des Integrationsprozesses kann ein Schlichtungsverfahren eingeleitet werden, etwa, wenn eine Seite zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der Kooperationsplan angepasst werden muss, aber die andere Seite damit nicht einverstanden ist. Bei Anrufung ist ein Schlichtungsverfahren durchzuführen. Davon kann nur in sog. atypischen Fällen abgewichen werden.

 

Rz. 5

Häufiger Fall wird derjenige sein, in dem der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht mit dem Inhalt des Kooperationsplanes einverstanden ist, den die Integrationsfachkraft des Jobcenters vorschlägt. Gründe für die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens können dann sein:

  • als unzureichend oder unausgewogen empfundene Leistungen zur Eingliederung in Arbeit,
  • als unzumutbar empfundene Bemühungen, die dem Leistungsberechtigten auferlegt werden sollen,
  • empfundene Häufigkeit der Bemühungen, die dem Leistungsberechtigten auferlegt werden sollen, ohne einzelfallbezogenen konkreten Bezug zur Integration in Erwerbstätigkeit,
  • als überzogen empfundene Form des Nachweises der Bemühungen,
  • als unzumutbar empfundene Bedingungen, unter denen eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden soll, etwa eine vermeintliche sittenwidrige Entlohnung, ein weiter Anfahrtsweg,
  • der Zeitraum des Kooperationsplanes,
  • als unzureichend empfundene Leistungen für die mit dem Betroffenen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen,
  • die der Erreichbarkeit vermeintlich entgegenstehende fehlende oder nur eingeschränkte Zustimmung zu einem Aufenthalt außerhalb des näheren Bereichs (§ 11b),
  • die Verpflichtung zur Antragstellung auf zahlreiche Leistungen bei Dritten, obwohl eine Leistungsberechtigung offensichtlich oder vermeintlich nicht besteht (§ 12a).
 

Rz. 6

Daraus ist ersichtlich, dass einerseits Integrationsbemühungen im Mittelpunkt der zu vereinbarenden Maßnahmen stehen, andererseits aber auch beim Fordern die Verhältnismäßigkeit des Kooperationsplanes gewahrt bleiben muss. Ein Kooperationsplan wird nicht aus rechtlichen Gründen nichtig sein, wenn ihm kein schlüssiges Eingliederungskonzept zugrunde liegt (so zur früheren Eingliederungsvereinbarung LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.2.2017, L 32 AS 1626/13). Aus einem Kooperationsplan lässt sich noch weniger als zuvor aus einer Eingliederungsvereinbarung ein unzulässiger Arbeitszwang i. S. d. Art. 12 Abs. 2 GG oder des IAO-Übereinkommens Nr. 29 ableiten, und deshalb auch kein wichtiger Grund, der einer Feststellung einer Leistungsminderung entgegenstünde, die auf § 15 n. F. beruht. Daran ändert nichts, dass sich Leistungsberechtigte im Hinblick auf die Minderungsregelungen zur Aufnahme ihnen angetragener Tätigkeiten genötigt sehen könnten (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 14.5.2012, L 7 AS 557/12 B ER). Das LSG sieht keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit, allgemeine Handlungsfreiheit oder Freizügigkeit. Selbst ein Verfahren nach § 15 Abs. 5 oder Abs. 6 löst keine Zwangs- oder Pflichtarbeit aus. Aus dem Urteil des BVerfG zur teilweisen Verfassungswidrigkeit von Leistungsminderungen v. 5.11.2019 ergeben sich dazu auch keine Hinweise. Erscheint der Leistungsberechtigte nicht zu einem Meldetermin zu Verhandlungen über einen Kooperationsplan, kann daraus noch nicht darauf geschlossen werden, dass der Leistungsberechtigte einen solchen verweigert und deshalb ein Verfahren nach Abs. 3 Satz 1 zulässig ist (SG Dortmund, Beschluss v. 8.4.2015, S 35 AS 594/15 ER zur früheren Eingliederungsvereinbarung). Für das Sperrzeitrecht nach dem SGB III hat das BSG entschieden, dass eine Sperrzeit nicht aufgrund mangelnder Eigenbemühungen, die in einer Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III festgelegt wurden, eintreten kann, wenn in der Eingliederungsvereinbarung keine angemessene Gegenleistung der Behörde zugesagt worden ist (BSG, Urteil v. 4.4.2017, B 11 AL 19/16 R, 5/16 R). Ohne ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist die dem Eintritt der Sperrzeit in der Arbeitslosenversicherung zugrunde liegende Eingliederungsvereinbarung über Eigenbemühungen nichtig. Damit entfällt die Basis für ein versicherungswidriges Verhalten. Das BSG hat besonders darauf abgestellt, dass dem Betroffenen für das Abverlangen sperrzeitbewehrter Obliegenheiten eine individuelle, konkrete und verbindliche Unterstützungsleistung angeboten werden muss.

 

Rz. 7

Das Schlichtungsverfahren ist bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfah...

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