0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB III-ÄndG) v. 8.4.2008 (BGBl. I S. 681) mit Wirkung zum 1.1.2008 in das SGB II eingefügt.

Durch die Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1.1.2011 hat die Vorschrift keine Änderung erfahren. In diesem Zusammenhang ist sie jedoch durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) mit Wirkung zum 1.4.2011 geändert worden.

Durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) v. 16.12.2022 (BGBl. I S. 2328) wurde die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.2023 geändert.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift stellt einerseits die Verpflichtung aller Leistungsberechtigten klar, alle Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, die sich begünstigend auf den Umfang der Hilfebedürftigkeit auswirken und dadurch die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende weniger belasten. Derartige oder damit im Zusammenhang stehende Vorschriften sind bereits in den §§ 3, 5, 7 und 9 enthalten. Allein ein Anspruch auf eine vorrangige Leistung berechtigt das Jobcenter noch nicht zur Ablehnung eines Antrages auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II (LSG Sachsen, Beschluss v. 22.2.2016, L 3 AS 990/15). Insoweit kommt es auf den tatsächlichen Leistungsbezug an. Vorrangige Leistung in diesem Sinne ist auch das Betreuungsgeld, sofern diese Leistung nach Landesrecht beansprucht werden kann.

 

Rz. 2a

Davon ist nach Satz 2 die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters ausgenommen, seit dem 1.1.2023 auch, wenn der Hilfebedürftige bereits 63 Jahre alt ist. Damit werden die Leistungsberechtigten davor geschützt, höhere Abschläge bei der Rente in Kauf zu nehmen. Der politische Streit über diese Regelung ist in der 18. Legislaturperiode durch Umgestaltung der Rentenansprüche entschärft worden. Geblieben war aber die Pflicht zur Antragstellung einer Rente wegen Alters, wenn der Leistungsberechtigte mindestens 63 Jahre alt war. Die Rechtsprechung hatte die Vorschrift bestätigt (BSG, Urteile v. 19.8.2015, B 14 AS 1/15 R, und v. 9.3.2016, B 14 AS 3/15 R). Zum Anspruch auf das frühere Sozialgeld bei gleichzeitigem Anspruch dem Grunde nach auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII vgl. BSG, Urteil v. 28.11.2018, B 4 AS 46/17 R. Seit dem 1.1.2023 regelt das Bürgergeld-Gesetz ein Entfallen der Pflicht zur Inanspruchnahme vorzeitiger Renten wegen Alters vollständig. Unberührt bleibt die weiter bestehende Pflicht, eine Rente wegen Alters in Anspruch zu nehmen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ungeminderte Inanspruchnahme vorliegen. Das Entfallen der Pflicht ist auf die Zeit bis zum 31.12.2026 befristet.

 

Rz. 2b

Satz 2 Nr. 2 greift seit dem 1.4.2011 die Fälle auf, in denen nicht alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft durch Beantragung von Wohngeld Hilfebedürftigkeit für mindestens 3 Monate überwinden können. In diesen Verwaltungsverfahren sind zahlreiche Vorprüfungen der Jobcenter erforderlich, bevor die Pflicht zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen festgestellt werden kann. Dies stellte eine erhebliche Fehlerquelle dar. Die Pflicht Leistungsberechtigter zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen ist deshalb modifiziert worden. Die Jobcenter sind in diesen Fällen nicht nach § 5 Abs. 3 berechtigt, Leistungsberechtigte zur Beantragung der vorrangigen Leistung aufzufordern oder im Weigerungsfalle diesen Antrag für sie zu stellen, weil für diese Leistungsbezieher keine Pflicht zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen mehr besteht.

 

Rz. 2c

Damit soll nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung ein erheblicher Beitrag zum Abbau von Bürokratie geleistet werden, indem bislang erforderliche Anträge, die zu keinem höheren Haushaltseinkommen geführt haben, nicht mehr erforderlich sind. Antragskreisläufe, die bis Ende März 2011 entstanden, weil ein Elternteil aufgrund Bezugs von Kinderwohngeld zwar nicht mehr hilfebedürftig war, bei dem dann zu gewährenden Wohngeld für den gesamten Haushalt jedoch hilfebedürftig blieb, würden weitgehend vermieden. Außerdem würden die Fälle deutlich reduziert, in denen erkennbar nur kurzfristig ein bedarfsdeckendes Einkommen erzielt wird und deshalb vom Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) II zum Bezug von Wohngeld und zurück gewechselt wird, weil zuvor eine 3-Monats-Prognose zu stellen ist. Auch dies soll einen erheblichen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Dies konnte mit dem Beispiel belegt werden, dass keine kurzfristige Abmeldung bei Krankenkassen wegen des Wegfalls der Krankenversicherungspflicht aufgrund des Bezuges von Alg II mehr erfolgen würde.

 

Rz. 2d

Durch Beibehaltung der Möglichkeit, auf freiwilliger Basis weiterhin Wohngeld für ein weiteres Haushaltsmitglied oder Wohngeld und Kinderzuschlag für Zeiträume unterhalb von 3 Monaten zu...

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