Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Eingliederungsvereinbarung. schlüssiges Eingliederungskonzept als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Eingliederungsvereinbarung

 

Orientierungssatz

1. Die Sanktion einer Obliegenheitsverletzung aus einer Eingliederungsvereinbarung kann zu Lasten eines Grundsicherungsempfängers dann nicht erfolgen, wenn die Eingliederungsvereinbarung nichtig ist.

2. Eine Eingliederungsvereinbarung zwischen einem Grundsicherungsträger und einem Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist bereits dann nichtig, wenn die jeweils übernommenen Verpflichtungen nicht in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Das ist auch dann der Fall, wenn der Eingliederungsvereinbarung kein schlüssiges Eingliederungskonzept zugrunde liegt, das für den betroffenen Grundsicherungsempfänger individuelle, konkrete und verbindliche Leistungsangebote formuliert.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. März 2013 geändert. Der Bescheid vom 24. November 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2011 sowie die Änderungsbescheide vom 26. März 2011 und vom 14. April 2011 werden hinsichtlich der Absenkung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 28. Februar 2011 aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Absenkung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 28. Februar 2011 in Höhe von 96,60 Euro monatlich.

Dem im April 1974 geborenen Kläger und den mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen, seiner im Januar 1973 geborenen Ehefrau S und den im Oktober 1999 und Dezember 2001 geborenen Kindern J und J, waren auf deren Weiterbewilligungsantrag mit Bescheid vom 7. September 2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. September 2010 bis 28. Februar 2011 in Höhe von 1.343,08 Euro monatlich (davon für den Kläger 323 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 140,74 Euro für Unterkunft und Heizung) bewilligt worden. Mit Änderungsbescheid vom 30. September 2010 hatte der Beklagte die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2010 bis 28. Februar 2011 auf 1.330,75 Euro monatlich (für den Kläger 323 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 137,68 Euro für Unterkunft und Heizung) festgesetzt.

Der Kläger und der Beklagte hatten am 30. September 2010 eine bis 29. März 2011 gültige Eingliederungsvereinbarung mit den Zielen einer Integration in Arbeit, Maßnahme intensive Vermittlung geschlossen. Der Beklagte bot dem Kläger die Teilnahme an der Maßnahme intensive Vermittlung nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 46 SGB III an. Für die Dauer der Teilnahme an der Maßnahme wurde dem Träger S- ein Zugriff auf die selektiven Bewerberdaten im Vermittlungs-/ Beratungs- und Informationssystem (VerBIS) eingeräumt. Der Kläger verpflichtete sich, an dieser Maßnahme zur beruflichen Eingliederung ab dem 4. Oktober 2010 teilzunehmen, insbesondere zur Einhaltung der mit diesem Träger vereinbarten Termine und zur aktiven Mitwirkung bis zum Ende der Zuweisungsdauer. Er verpflichtete sich außerdem, in den nächsten sechs Monaten, beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung, mindestens drei monatliche Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen. In der Rechtsfolgenbelehrung war der Kläger über die Folgen bei Verstößen gegen die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten hingewiesen worden.

Nach einem Gesprächsvermerk des Beklagten vom 30. September 2010 war dem Kläger bei einem Gespräch am selben Tag ein Flyer und eine Wegebeschreibung (Informationen über die Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei der S GmbH- Vordruck F.2.1 Informationsblatt) ausgehändigt und ein Termin am 4. Oktober 2010 um 15.00 Uhr mitgeteilt worden.

Nachdem der Beklagte Kenntnis erlangt hatte, dass der Kläger die Maßnahme nicht angetreten hatte, gab er ihm mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Er wies darauf hin, dass, wenn der Kläger für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe, dies die Absenkung oder den Wegfall der Leistung zur Folge habe (Sanktion), die grundsätzlich drei Monate dauere und voraussichtlich zu einer Minderung des Leistungsanspruches in Höhe von 30 v. H. der Regelleistung führe.

Der Kläger meinte in seiner Stellungnahme, es handele sich um ein Missverständnis. Er habe den Bearbeiter des Beklagten so verstanden, dass sich jemand bei ihm für die Maßnahme melden werde, so wie dies bei einer früheren Maßnahme gewesen sei. Dieser Bearbeiter habe ihm absolut keine konkrete Auskunft gegeben, wie er sich verhalten solle. Er habe sich deswegen eine Tätigkeit gesucht, weswegen er nunmehr nicht an der Maßnahme teilnehmen könne. Der Kläg...

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