Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. stationäre Pflege. Auswahl der Einrichtung. Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten. unverhältnismäßige Mehrkosten. Kostenvergleich. Vornahme vor Anrechnung von Einkommen. Vergleich der Tagessätze der Einrichtungen

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Kostenvergleich gem § 9 Abs 2 SGB 12 ist nicht auf die Kosten abzustellen, die sich nach einer Einkommensanrechnung für den Sozialhilfeträger ergeben, sondern auf die Kosten vor Einkommensanrechnung und damit auf die Tagessätze der Einrichtungen.

 

Orientierungssatz

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob der Sozialhilfeträger an die Vereinbarungen der Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger bzw an seine eigenen Vereinbarungen mit dem Einrichtungsträger bzgl der Investitionskosten gem § 75 Abs 5 SGB 12 derart gebunden ist, dass ein Kostenvergleich nach § 9 Abs 2 S 3 SGB 12 nicht mehr in Betracht kommt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.07.2018; Aktenzeichen B 8 SO 30/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. April 2012 und der Bescheid des Beklagten vom 06. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Mai 2010 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01. November 2009 bis zum 16. Juli 2014 die ungedeckten Heimkosten in Höhe von insgesamt 11.459,83 Euro zu gewähren und diese an die Beigeladene zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu ¾ zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme ungedeckter Heimkosten für die Zeit vom 01. November 2009 bis zum 16. Juli 2014 (ab dem 17. Juli 2014 werden die Kosten von dem Beklagten übernommen).

Die 1941 geborene, also jetzt 74 Jahre alte Klägerin leidet an einem mäßigen hirnorganischen Psychosyndrom, einem Zustand nach Herzinfarkt 2004, einer koronaren 3-Gefäßerkrankung, einem Zustand nach Transischämischer Attacke, einem Zustand nach Hirnstamminsult bei ACI-Stenose (Stenose der inneren Halsschlagader - Arteria carotis interna -) im Juli 2009, an einer mittelschweren dementiellen Entwicklung, an Hypertonie und einer latenten Hyperthyreose. Sie steht unter Betreuung ihrer Tochter P F für sämtliche Angelegenheiten außer der Einwilligung in eine Sterilisation.

Die Nettoeinkünfte der Klägerin entwickelten sich in dem hier in Rede stehenden Zeitraum wie folgt:

Ab Juli 2009: 715,93 Euro Altersrente und 182,94 Euro Witwenrente, insgesamt also 898,87 Euro.

Ab Juli 2010: 715,93 Euro Altersrente und 182,94 Euro Witwenrente, insgesamt also 898,87 Euro.

Ab Juli 2011: 720,65 Euro Altersrente und 185,44 Euro Witwenrente, insgesamt also 906,09 Euro.

Ab Juli 2012: 736,92 Euro Altersrente und 189,62 Euro Witwenrente, insgesamt also 926,54 Euro.

Ab Januar 2013: 736,10 Euro Altersrente und 189,41 Euro Witwenrente, insgesamt also 925,51 Euro.

Ab Juli 2013: 760,31 Euro Altersrente und 195,64 Euro Witwenrente, insgesamt also 955,95 Euro.

Ab Juli 2014: 779,52 Euro Altersrente und 221,62 Euro Witwenrente, insgesamt also 1001,14 Euro.

Die Pflegeleistungen der Pflegekasse AOK betrugen laut Bescheid vom 23. Dezember 2009 bei festgestellter Pflegestufe I während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums 1023,00 Euro monatlich.

Am 23. Oktober 2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Übernahme nicht gedeckter Heimkosten. Sie gab an, dass sie am 20. Oktober 2009 in das Pflegeheim Haus L-H.v.O (im Folgenden: H), getragen von dem “M B-Seniorenwohnen„, der Beigeladenen, eingezogen sei. Vorher war sie in den O-Kliniken, Bereich H, stationär behandelt worden.

Die Beigeladene hat für die Einrichtung H für den Zeitraum ab dem 15. Juli 2009 eine Vergütungsvereinbarung stationärer Pflegeleistungen gemäß § 85 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI) mit der AOK Brandenburg, mehreren Ersatzkassen, dem BKK-Landesverband Ost, der IKK Brandenburg und Berlin, der Knappschaft, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Mittel- und Ostdeutschland und dem Beklagten geschlossen, wobei der Beklagte nicht zugestimmt hat, sondern gemäß § 85 Abs. 4 SGB XI die Mehrheitsentscheidung der übrigen Kostenträger gegen sich hat gelten lassen. Für die Zeit ab dem 01. August 2013 wurde eine weitere Vergütungsvereinbarung stationärer Pflegeleistungen gemäß § 85 SGB XI geschlossen, zwischen den gleichen Vertragspartnern, diesmal unter Zustimmung auch des Beklagten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarungen Bezug genommen.

Für die Zeit vom 01. September 2009 bis 31. Dezember 2013 hat der Beklagte drei Vereinbarungen mit der Beigeladenen für die Einrichtung H bzgl. der gesondert zu berechnenden Investitionskosten gemäß § 75 Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII)geschlossen (Vereinbarungen vom 30. August bzw. 17. September 2009, vom 21. Januar bzw. 17. Januar 2011 und vom 16. Januar bzw. 18. Januar 2012). Es wurden jeweils 12,98 Euro je Anwesenheitstag für 11...

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