Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7. gesicherte medizinisch-wissenschaftliche oder epidemiologische Erkenntnisse. bestimmte Berufsgruppe. posttraumatische Belastungsstörung eines Leichenumbetters

 

Orientierungssatz

1. Zur Nichtanerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung eines Leichenumbetters beim Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge (Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten) als sog Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7 mangels Vorliegens gesicherter medizinisch-wissenschaftlicher oder epidemiologischer Erkenntnisse.

2. Anhand der spezifischen Voraussetzungen zum Eingangskriterium der PTBS (vgl ICD 10 F 43.1, DSM IV, DSM V, ICD 11 6 B 41) steht für den Senat fest, dass nicht die Berufsbezeichnung das Eingangskriterium der Diagnose "PTBS" erfüllt bzw zu erfüllen hat. Vielmehr ist die jeweilige Exposition bzw die Summe der verschiedenen in diesem Beruf aufgetretenen Expositionen den Diagnosekriterien gegenüberzustellen und wissenschaftlich auf eine Kausalitätsbeziehungen zu untersuchen. Eine vergleichsweise Heranziehung der in anderen Berufen bzw Tätigkeiten auftretenden Expositionen und dazu verfasster Studien zur Begründung eine Wie-BK ist damit ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung einer Posttraumatischen Belastungsstörung als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK).

Der 1963 geborene Kläger, anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60, ist gelernter Zerspanungsfacharbeiter und arbeitete unter anderem als Berufsfeuerwehrmann. Von 1993 bis 2005 war der Kläger als Leichenumbetter beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. tätig und führte in Tschechien, Ungarn, Kroatien, Polen, Weißrussland und Deutschland neben weiteren Tätigkeiten die Exhumierung und Identifizierung von Weltkriegstoten durch. Ab 2005 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beschäftigung als Umbetter endete 2008 nach einem Vergleich. Seit 2011 bezieht der Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Am 8. April 2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte mit der Begründung, dass es durch seine jahrelange Tätigkeit als Umbetter zu gesundheitlichen Störungen mit lebenslanger Behinderung gekommen sei, die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) bzw. einer Wie-BK. Nach Einholung einer Stellungnahme des Gewerbearztes vom 3. Juli 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Juli 2008 die Anerkennung einer BK bzw. einer Wie-BK ab und führte zur Begründung u.a. aus, psychosomatische Störungen, Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) gehörten nicht zu den in der Berufskrankheiten-Liste genannten Erkrankungen. Eine Anerkennung als BK nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) sei deshalb nicht möglich. Daneben gebe es auch keine Anhaltspunkte für die Anerkennung als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII. Es fehle an neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft dafür, dass die Tätigkeit als Umbetter generell die beim Kläger aufgetretenen Beschwerden verursachen könne.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2008) holte das Sozialgericht Potsdam im nachfolgenden Klageverfahren (Az.: S 12 U 133/08) ein nach Aktenlage erstelltes Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A ein. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 15. April 2013 nach einer umfangreichen Literaturrecherche u.a. zu der Feststellung, dass es keine epidemiologischen Studien dazu gebe, dass Leichenumbetter im Vergleich zur Normalbevölkerung in erhöhtem Maße traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt seien. Im Übrigen könne der Umgang mit Leichen(-teilen) nicht grundsätzlich als traumatisierendes Ereignis gemäß den internationalen Kriterien (ICD-10 und DSM-IV) aufgefasst werden. Ein traumatisierendes Ereignis könne ausschließlich beim Umgang mit Leichen von nahestehenden Personen oder bei Unfällen oder aktuellen Kriegsereignissen auftreten, was bei der Tätigkeit des Klägers aber nicht der Fall gewesen sei. Hierauf gestützt wies das Sozialgericht mit Urteil vom 9. August 2013 die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Az.: L 2 U 159/13) mit Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 6. Mai 2014 zurück, wobei es im Wesentlichen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils Bezug nahm.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2017 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und stellte den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 23. Juli 2008. Zur Begründung bezog er sich auf ein - in seinem Klageverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung (Az. S 4 R 588/07) wegen Gewährung von Erwerbsminderungsrente eingeholtes Sachverständigengutachten des Arztes für Psychiatrie Prof. Dr. Z...

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