Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Staffelmietvereinbarung. Befugnis des Grundsicherungsträgers und Sozialgerichts zur Überprüfung der Wirksamkeit. Unwirksamkeit von Vertragsklauseln. Minderung des Unterkunftsbedarfs durch einen Mietkostenzuschuss nach Landeswohnbauprogramm

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Träger von Grundsicherungsleistungen ist im Rahmen der Leistungsgewährung grundsätzlich nicht gehindert, die zivilrechtliche Wirksamkeit mietvertraglicher Vereinbarungen zu überprüfen. Ist eine mietvertragliche Klausel (hier: Vereinbarung einer Staffelmiete) nach der zivilrechtlichen Literatur und Rechtsprechung unwirksam und sind solche Mietaufwendungen daher vom Mieter nicht geschuldet, kann ein entsprechender Anspruch gegen den Grundsicherungsträger nicht entstehen (s. entsprechend Urteil des Senats vom 21. Februar 2008 - L 7 SO 827/07 - SAR 2008 m.w.N. zur Übernahme der Kosten für Schönheitsreparaturen nach dem BSHG).

2. Ein Mietkostenzuschuss, der nach landesrechtlichen Bestimmungen zweckgebunden gewährt wird, wenn und (nur) solange der Hilfeempfänger in einem bestimmten Mietobjekt wohnt (sog. Subjektförderung), ist bedarfsmindernd bei den Unterkunftskosten - und nicht als (zweckgebundenes) Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II - zu berücksichtigen.

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsicherungsträger ist berechtigt bei der Feststellung des Unterkunftsbedarfs iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 den Mietvertrag auf seine zivilrechtliche Wirksamkeit hin zu überprüfen.

2. Ist eine vertraglich festgelegte Klausel im Formularvertrag nach der zivilrechtlichen Rechtslage unwirksam - hier verletzt die Staffelmietvereinbarung mangels Klarheit und Transparenz § 557a Abs 2 S 1 BGB bzw § 307 Abs 1 S 2 BGB - sind solche Mietaufwendungen vom Mieter nicht geschuldet und können bei der Festsetzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 nicht berücksichtigt werden. Soweit insofern keine Rechtsunsicherheit besteht, kann auch eine Übergangsfrist gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nicht eingeräumt werden.

3. Ein im Rahmen der Wohnraumförderung nach Landeswohnbauprogramm an den Mieter - zur Weiterleitung an den Vermieter - ausgezahlter Mietkostenzuschuss mindert den Unterkunftsbedarf bzw die tatsächlichen Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 und ist nicht als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 zu behandeln.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juli 2008 abgeändert. Die Klagen werden abgewiesen, soweit der Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2008 betroffen ist.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Berufungsverfahren noch streitig ist die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) in mietvertraglich vereinbarter Höhe im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2008.

Die am … Dezember 1979 geborene Klägerin zu 1. und ihre am 26. März 2003 bzw. am 9. März 2007 geborenen Töchter, die Klägerinnen zu 2. und 3., stehen im laufenden Leistungsbezug der Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Sie bewohnen eine von der Klägerin zu 1. angemietete 3-Zimmer-Wohnung mit 74 qm Grundfläche; Vermieterin ist Frau H. Hi., vertreten durch die H & G Haus und Grund Verwaltungs GmbH S.. Das Mietverhältnis besteht seit dem 15. Januar 2004. Nach § 3 Ziffer 1 a) aa) des Mietvertrages betrug die Grundmiete für die Wohnung 515,61 € und für die Garage 36,- € (§ 3 Ziffer 1 a) bb). Hinzu kommen Betriebskosten (§ 3 Ziffer 1 b), für welche bei Mietbeginn Vorauszahlungen für Heizung und Warmwasser von “zur Zeit„ 80,- € (aa) und für sonstige Kosten von “zur Zeit„45,- € (bb) vereinbart wurden.

In § 5 (Seite 4) des Mietvertrages finden sich Regelungen zur Mieterhöhung. Zur Verwaltungsakte der Beklagten gelangten allerdings zunächst nur Kopien der ersten drei Seiten des Mietvertrages, worauf in der Folgezeit Leistungen auf der Grundlage der Vereinbarungen in § 3 des Vertrages gewährt wurden unter Anrechnung einer Zusatzförderung in Form eines monatlichen Zuschusses zur Absenkung der Miete von monatlich 160,91 €; dieser wurde der Klägerin zu 1. für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2007 durch Bescheid der Stadt Karlsruhe - Amt für Vermessung, Liegenschaften und Wohnen, Abteilung Wohnraumförderung - vom 13. Dezember 2005 bewilligt. In dem Bescheid wird ausgeführt, dass die Mietermäßigung bei bestehendem Mietverhältnis dem Grunde nach zehn Jahre bis 30. November 2010 dauert. Die Höhe der Ermäßigung werde alle zwei Jahre durch eine Einkommensüberprüfung des Mieters neu bestimmt.

Im Rahmen der laufenden Bewilligungen legte die Beklagte in der Folgezeit als Nettokaltmiete durchgängig 515,61 € sowie Nebenkosten von insgesamt 125,- € zu Grunde und zog davon den Mietkostenzuschuss von 160,91 € sowie 12,13 € (pauschal) für die Warmwasserzubereitung ab, woraus sich berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 467,57 € errechneten....

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