Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage. Aufbewahrung von Kontoauszügen eines Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 in der Leistungsakte. Zumutbarkeit einer Verweisung auf nachträglichen Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist nur (ausnahmsweise) zulässig, wenn und soweit die Verweisung auf nachgängigen Rechtsschutz unzumutbar wäre.

2. Hieran fehlt es beim (Unterlassungs-)Begehren eines Leistungsempfängers, vorgelegte Kontoauszüge nach Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II nicht gegen seinen Willen zu den Verwaltungsakten zu nehmen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt ist, vom Kläger vorgelegte Kontoauszüge in Kopie zur Akte zu nehmen.

Der 1953 geborene, alleinstehende Kläger ist seit 24.10.1997 arbeitslos und bezieht vom Beklagten seit 01.01.2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe des jeweiligen Regelbedarfes zuzüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Auf seinen Antrag vom 22.06.2011 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 01.07.2011 bis 31.12.2011 i.H.v. 713 € monatlich (Bescheid vom 24.06.2011: Regelbedarf 364 € und Kosten für Unterkunft und Heizung 349 €, Änderungsbescheid vom 01.03.2012 Kosten für Unterkunft und Heizung 391,60 € ab 01.07.2011). Mit einem weiteren Schreiben vom 24.06.2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass noch folgende Unterlagen/Angaben benötigt werden: Vollständige Kontoauszüge ihres Girokontos ab dem 01.04.2011 bis 01.07.2011. Er wurde gebeten, diese Unterlagen bei der im Briefkopf genannten Stelle bis zum 11.07.2011 einzureichen. Der Beklagte führte aus: “Für den Bezug von Leistungen ist es erforderlich, dass sie alle Tatsachen angeben, die für Ihren Leistungsanspruch entscheidend sind und die notwendigen Nachweise vorlegen oder ihrer Vorlage zustimmen (§ 60 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I)„. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass er bis zum genannten Termin nicht reagiere oder die erforderlichen Unterlagen nicht einreiche, die Geldleistungen ganz versagt werden können, bis er die Mitwirkung nachhole. Dies bedeute, dass er keine Leistungen erhalte.

Unter dem 05.07.2011 teilte der Kläger mit, dass er die angeforderten Kontoauszüge vom 01.04. bis 01.07.2011 gerne zur Verfügung stelle, wenn der Beklagte ihm die Löschung der bisher erhaltenen Kontoauszüge schriftlich bestätige. Nach § 84 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) habe er Anspruch auf deren Löschung, weil sie zur rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben des Beklagten nicht mehr erforderlich seien. Er forderte den Beklagten auf, ihm die Löschung bis Ende der Woche zu bestätigen, damit er die neuen Kontoauszüge vor dem gesetzten Termin einreichen könne.

Der Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 02.08.2011 mit, dass die bisher erhaltenen Kontoauszüge aus Gründen der nachweislichen Aktenführung nicht gelöscht werden könnten, weil in Fällen von Widersprüchen und Klagen nachgewiesen werden müsse, auf welche Nachweise der Beklagte seine Entscheidungen gestützt habe. Aus diesen Gründen würden sämtliche Unterlagen und Kontoauszüge, die er einreiche, in Kopie aufbewahrt. Es werde darauf hingewiesen, dass diese aus Gründen des Datenschutzes sorgfältig behandelt würden. Die Frist zur Vorlage der Kontoauszüge wurde auf 27.07.2011 verlängert. Dieses Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde dem Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 02.08.2011 übergeben.

Verbunden mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Konstanz (SG) legte der Kläger am 02.08.2011 Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.08.2011 ein. Er habe auf sein Schreiben vom 05.07.2011 keine Antwort erhalten. Mündlich habe man ihm mitgeteilt, dass die Auszahlung von Arbeitslosengeld II gesperrt worden sei. Die Sachbearbeiterin sei auch nach seiner persönlichen Vorsprache am 02.08. nicht bereit gewesen, die mitgebrachten Kontoauszüge einzusehen und die Auszahlung zu veranlassen. Er habe sich mit seinem Schreiben vom 05.07.2011 auf § 84 Abs. 2 SGB X berufen und sehe daher bei seinem Wunsch nach Löschung der bisher eingereichten Kontoauszüge keine Verletzung der Mitwirkungspflicht bei der Klärung seiner Anspruchsvoraussetzungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2011 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 02.08.2011 zurück. Die Obliegenheit zur Vorlage von Kontoauszügen ergebe sich aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I und erstrecke sich auch auf die Kontobewegungen, die in der Vergangenheit lägen. Die Aufforderung, Kontoauszüge für die letzten drei Monate vorzulegen, sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der S...

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