Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sozialdatenschutz. Anspruch eines Leistungsberechtigten auf Entfernung seiner Kontoauszüge aus der Leistungsakte

 

Orientierungssatz

1. Das Aufbewahren von schriftlichen Datenträgern in der Verwaltungsakte ist eine Form der Datenspeicherung nach § 67 Abs 6 S 2 Nr 1 SGB 10.

2. Die Aufbewahrung von Kontoauszügen durch den Grundsicherungsträger ist erforderlich, um die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten zu überprüfen. Kontoauszüge sind eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2 und als solche zur Verwaltungsakte zu nehmen.

3. Die Erforderlichkeit der Datenspeicherung erschöpft sich keineswegs in der aktuell anstehenden Verwaltungsentscheidung; die Entscheidungsgrundlagen sind auch für mögliche Folgeverfahren aufzubewahren.

4. Der Aktenplan SGB 2 der Bundesagentur für Arbeit und der gemeinsamen Einrichtungen SGB 2 sieht eine regelmäßige Aufbewahrungsdauer von 10 Jahren nach Schließung der Akte bzw des Vorgangs vor. Dies ist nicht zu beanstanden.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. September 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die 1968 geborene Klägerin steht im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten. Unter dem 10. Oktober 2013 beantragte die Klägerin die Entfernung sämtlicher Kontoauszüge aus den sie betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten. Hierauf teilte der Beklagte mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 mit, soweit Kontoauszüge eingereicht worden und Angaben enthalten seien, die die Höhe des Leistungsbezuges beeinflussten, seien die Voraussetzungen des § 67c Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erfüllt. Sollten sich in der Akte Kontoauszüge befinden, für die diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, würden diese Kontoauszüge aus der Akte entfernt. Unter dem 6. November 2013 legte die Klägerin gegen dieses Schreiben Widerspruch ein und begehrte weiterhin die unverzügliche und vollständige Löschung der Daten. Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Oktober 2013 mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2014 zurück und führte aus: Der zulässige Widerspruch sei in der Sache unbegründet. Das Speichern, Verändern oder Nutzen von Sozialdaten durch die in § 35 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) genannten Stellen sei zulässig, mindestens soweit es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich sei und es für Zwecke erfolge, für die die Daten erhoben worden seien (§ 67c Abs. 1 Satz 1 SGB X). Das Aufbewahren von Kontoauszügen sei insbesondere dann zulässig, wenn sich aus deren Inhalt ein weiterer Ermittlungsbedarf oder eine Änderung der Leistungshöhe ergebe. Kontoauszüge seien Beweismittel im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I, welcher sich die Behörde gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Ermittlung von Sachverhalten, insbesondere der Feststellung von Hilfebedürftigkeit gemäß den §§ 7 ff SGB II bediene. Als begründende Unterlagen für das rechtmäßige Handeln der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sei die Aufbewahrung solcher Unterlagen, welche für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich sei, unverzichtbar. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass entscheidungserhebliche Informationen verloren gingen, welche Grundlage und Voraussetzung für den Erlass rechtmäßiger Verwaltungsakte seien. Die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetragen, auf welche Kontoauszüge sich ihr Verlangen beziehe. Es seien keine Tatsachen vorgetragen worden, welche eine Verzichtbarkeit der Kontoauszüge begründen könnten.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Das Speichern von Kontoauszügen in der Verwaltungsakte sei zur Aufgabenerfüllung grundsätzlich nicht erforderlich. Der Beklagte möge darlegen, was er - wem gegenüber - mit den Kontoauszügen konkret beweisen wolle. Die vorsorgliche Erhebung und Speicherung von Sozialdaten sei unzulässig.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat die Klage mit Urteil vom 19. September 2017 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Bescheid vom 11. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2014 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auch das Feststellungsbegehren sei unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Löschung der von dem Beklagten gespeicherten Daten durch das Abheften der Kontoauszüge finde seine Stütze in § 84 Abs. 2 SGB X. Das Abheften der von der Klägerin zur Verwaltungsakte eingereichten Kontoauszüge sei ein Speichern von Sozialdaten im Sinne des § 67c Abs. 1 SGB X. Die auf diese Weise nicht nur erhobenen, sondern damit auch gespeicherten Sozialdaten seien nicht iSd § 84 Abs. 2 SGB X unzulässig gespeichert worden. Auf den Beschluss des Ba...

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