Datenschutz: Schufa darf Daten nur zeitlich begrenzt speichern

Die Schufa darf Daten eines Insolvenzschuldners nicht weiterverarbeiten, nachdem sie im öffentlichen Insolvenzbekanntmachungsportal entfernt wurden. Tut sie dies dennoch, steht den Betroffenen ein Anspruch auf Löschung zu.

Das OLG Schleswig-Holstein hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Schufa Daten eines insolventen Schuldners nicht über einen längeren Zeitraum speichern und verarbeiten darf als diese im Insolvenzbekanntmachungsportal veröffentlicht werden.

Schufa speicherte Daten über Insolvenz des Klägers

Gegen die Schufa geklagt hatte ein ehemaliger Insolvenzschuldner, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden war, das im März 2020 durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts rechtskräftig aufgehoben wurde. Im amtlichen Internetportal wurden diese Daten gemäß § 3 InsoBekV über die Dauer von sechs Monaten veröffentlicht, was die Schufa veranlasste, den Vorgang in ihren Datenbestand zu übernehmen. In den Auskünften zu entsprechenden Anfragen über den Kläger waren die Daten in der Folgezeit enthalten.

Kläger forderte von der Schufa die Löschung seiner Daten

Die Datenspeicherung blieb für den Kläger nicht ohne negative Auswirkungen. So war ihm die Anmietung einer neuen Wohnung nicht möglich, andere Vertragspartner verweigerten die Lieferung von Waren ohne Vorkasse. Wegen dieser Beeinträchtigungen der Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben forderte der Kläger Ende des Jahres 2020 von der Schufa die Löschung der gespeicherten Daten.

Schufa pochte auf berechtigtes Interesse an Datenspeicherung

Die Schufa war zur Löschung der Daten nicht bereit. Sie verwies auf die „Allgemeinen Vereinbarungen der Wirtschaftsauskunfteien“, in denen die Wirtschaftsauskunfteien Verhaltensregeln bei der Datenspeicherung vereinbart und eine Datenspeicherung für die Dauer von drei Jahren vorgesehen haben. Die gespeicherten Daten über die Insolvenz des Klägers seien bonitätsrelevante Informationen für die Vertragspartner der Schufa. An der Speicherung der Daten bestehe daher ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse.

Divergierende Instanzentscheidungen

Das erstinstanzlich angerufene LG teilte die Rechtsauffassung der Schufa und wies die Klage auf Löschung der Daten ab. Auf die Berufung des Klägers hob das OLG das erstinstanzliche Urteil auf und gab dem Antrag auf Löschung der Daten statt. Nach Auffassung des OLG hatte die Vorinstanz das berechtigte Interesse des Klägers an der Löschung der Daten nicht angemessen gewichtet.

Datenspeicherung erfordert Interessenabwägung

Das OLG stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Danach ist die Verarbeitung von Daten nur rechtmäßig, wenn eine der dort enumerativ aufgezählten Bedingungen erfüllt ist. Maßgeblich war nach Auffassung des Senats hier Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Nach dieser Bestimmung ist die Datenverarbeitung rechtmäßig 

„zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten …, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen…“

Die Anwendung dieser Vorschrift erfordert nach der Entscheidung des OLG stets eine Abwägung zwischen den Interessen der die Daten speichernden Stelle, in diesem Fall also der Schufa und ihren Vertragspartnern an der Verarbeitung der Daten einerseits sowie den durch die Verarbeitung berührten Grundrechten und Interessen des von der Datenverarbeitung Betroffenen andererseits. 

Berechtigtes Interesse an bonitätsrelevanten Informationen

Grundsätzlich gestand das OLG der Schufa und ihren Vertragspartnern ein Interesse an bonitätsrelevanten Informationen zu. Die Erteilung solcher Informationen diene dazu, die berechtigten Interessen wirtschaftlicher Subjekte an der ordnungsgemäßen Abwicklung von Geschäften und damit insgesamt ein funktionierendes Wirtschaftsleben zu ermöglichen.

Interesse der Betroffenen an wirtschaftlicher Teilhabe

Diesem Interesse der Wirtschaft und der Allgemeinheit an funktionierenden Geschäftsabläufen stehe das Interesse des Klägers gegenüber, möglichst ungehindert am wirtschaftlichen Leben teilnehmen und ungehindert Verträge abschließen zu können. Nach der Wertung des Gesetzgebers seien diese Interessen besonders schützenswert, wenn durch Eintritt bestimmter Bedingungen und Zeitabläufe der Betroffene gezeigt habe, dass er zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen wieder bereit und in der Lage sein werde. 

Nach sechs Monaten tritt Interesse an Bonitätsauskünften zurück

Der Zeitpunkt, in dem die Interessen eines Betroffenen an der ungehinderten Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsleben das Informationsinteresse Dritter überwiegt, ist nach der Entscheidung des OLG dann erreicht, wenn seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ein halbes Jahr vergangen ist und die Informationen über das Insolvenzverfahren aus den Insolvenzbekanntmachungsportal gelöscht sind. Zu diesem Zeitpunkt habe auch die Schufa die über einen Insolvenzschuldner gespeicherten Daten zu löschen.

Verhaltensregeln der Wirtschaftsauskunftei haben keine Rechtswirkung gegen Dritte

Die vom Verband der Wirtschaftsauskunftei erarbeiteten Verhaltensregeln, die eine Speicherfrist von drei Jahren vorsehen, sind nach Auffassung des OLG für die Entscheidung nicht maßgeblich. Es handele sich dabei um interne Vereinbarungen die keine Rechtswirkung zulasten Dritter entfalten könnten. Auch im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen könnten sie keine rechtlich verbindlichen Anhaltspunkte für die Gewichtung der unterschiedlichen Interessen setzen.

Schufa muss Insolvenzdaten des Klägers löschen

Im Ergebnis war die Berufung des Klägers damit in vollem Umfang erfolgreich. Die Schufa muss die über den Kläger gespeicherten Staaten zur Insolvenz umgehend löschen. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Das OLG hat ausdrücklich die Revision zugelassen.

(Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil v. 3.6.2022, 17 U 5/22)

Hintergrund

Mit dem jetzt ergangenen Urteil führt das OLG Schleswig seine Rechtsprechung zu den zulässigen Fristen für die Speicherung von Insolvenzdaten bei der Schufa fort. 

Bereits im Juli 2021 hatte das Schleswig-Holsteinische OLG entschieden, dass die Schufa Holding AG zur Löschung des Merkmals der Restschuldbefreiung mit Ablauf von sechs Monaten nach Veröffentlichung dieses Merkmals nach der § 3 InsoBekV verpflichtet ist, da eine darüberhinausgehende Speicherung im Widerspruch zur Bewertung der wechselseitigen Interessen der Beteiligten durch die Rechtsordnung stehe (OLG, Urteil v. 2.7.2021, 17 U 15/21). 

Hinweis: Wichtig für Betroffene ist in jedem Fall, die Löschung ihrer Daten ausdrücklich zu beantragen, denn nach bisherigem Stand löscht die Schufa solche Daten von sich aus nicht innerhalb der Sechsmonatsfrist.

Rechtsprechung ist uneinheitlich

Die Rechtsprechung der Obergerichte zu den zulässigen Zeiträumen für eine Datenspeicherung über eine Insolvenz durch Wirtschaftsauskunfteien ist nicht einheitlich. Sowohl das KG Berlin als auch das OLG Oldenburg gestehen der Schufa längere Speicherfristen zu und bejahen einen Löschungsanspruch erst nach Ablauf von drei Jahren (OLG Oldenburg, Urteil v. 23.11.2021, 13 U 63/21). Das KG Berlin stellte ausdrücklich fest, dass auch nach Erteilung einer Restschuldbefreiung der Insolvenzschuldner keinen Anspruch auf Gleichstellung mit Personen hat, welche kein Insolvenzverfahren durchlaufen haben (KG Berlin, Urteil v. 15.2.2022, 27 U 51/21). 

Entscheidung des EuGH erwartet

Möglicherweise bringt der EuGH demnächst mehr Klarheit in das Dickicht der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für eine Speicherung von Daten durch die Schufa. Auf der Grundlage eines Vorlagebeschlusses des VG Wiesbaden wird der EuGH demnächst über die Kompatibilität der Ermittlung der sogenannten „Score-Werte“ durch die Schufa mit den Bestimmungen der DSGVO entscheiden.

Schlagworte zum Thema:  Datenschutz-Grundverordnung, Datenschutz