Eine rechtmäßige Aufforderung zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe durch die Krankenkasse ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Da die Aufforderung ein Verwaltungsakt ist, treten die Rechtsfolgen – u. a. des unterlassenen Antrags – auch bei einer rechtswidrigen Aufforderung ein. Davon ausgenommen ist nur die nichtige Aufforderung,[1] die von Anfang an unwirksam und damit unbeachtlich ist.[2]

Versicherte mit einem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland können zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe oder zum Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgefordert werden.[3]

 
Praxis-Beispiel

Rechtswidrige Aufforderung

Eine Krankenkasse fordert schriftlich zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe auf. Der Begründung ist nicht zu entnehmen, ob und wie die Krankenkasse ihr Ermessen hinsichtlich der Aufforderung ausgeübt hat. Der Versicherte ist vor der Aufforderung nicht angehört worden. Ein Widerspruch gegen die Aufforderung wird nicht eingelegt.

Der Verwaltungsakt der Krankenkasse leidet sowohl an einem materiellen Fehler (fehlendes Ermessen) als auch an einem Verfahrensfehler (unterlassene Anhörung).

Damit ist die Aufforderung rechtswidrig, aber nicht nichtig. Es handelt sich hier nicht um besonders schwerwiegende und offensichtliche Fehler, die nachträglich berichtigt werden können.

Da ein Widerspruch nicht eingelegt wurde, wird der Verwaltungsakt wirksam und unanfechtbar. Er ist trotz seiner Rechtswidrigkeit sowohl vom Versicherten als auch vom Rentenversicherungsträger zu beachten.

1.1 Voraussetzungen

Die Krankenkasse kann Versicherte zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe auffordern, wenn deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist.[1] Befindet sich der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland, kann die Krankenkasse entweder zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe oder zum Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auffordern.

 
Hinweis

"Nachgeschobene" Aufforderung

Hat ein Versicherter bereits von sich aus einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe oder einen Rentenantrag gestellt, ist auch eine nachgeschobene Aufforderung zur Einschränkung der Dispositionsbefugnis des Versicherten zulässig.[2] Die Dispositionsfreiheit wird durch die nachgeschobene Aufforderung für die Zukunft eingeschränkt. Die Krankenkasse verlangt damit nicht, einen neuen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe zu stellen, sondern fordert den Versicherten auf, den einmal gestellten Antrag weder zurückzunehmen noch inhaltlich zu beschränken. Nicht betroffen sind bereits vor der Aufforderung getätigte Verfügungen des Versicherten.

1.1.1 Anspruch auf Krankengeld

Eine rechtmäßige Aufforderung zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe ist nur im Zusammenhang mit einem Anspruch auf Krankengeld möglich.[1] Die Regelung will im Schnittbereich der Leistungspflicht von Kranken- und Rentenversicherung sowohl

  • die doppelte Gewährung von Sozialleistungen vermeiden als auch
  • eine sachgerechte Abgrenzung der Leistungszuständigkeit von Kranken- und Rentenversicherung vornehmen.

Dabei gilt der Grundsatz, dass Renten den Vorrang vor Krankengeld haben. Es ist in erster Linie Aufgabe der Rentenversicherung, bei dauerhafter Erwerbsminderung die Leistung zu erbringen. Die Krankenkasse hat das Recht, durch die Aufforderung den Beginn der antragsabhängigen Rente wegen Erwerbsminderung zu beeinflussen. Sie bewirkt dadurch einen Wegfall ihrer Leistungszuständigkeit für das Krankengeld schon vor Erreichen der Anspruchshöchstdauer.

Die Aufforderung kann bereits vor dem Beginn des Bezugs von Krankengeld ausgesprochen werden, wenn der Versicherte z. B. Entgeltfortzahlung durch seinen Arbeitgeber erhält. Ob eine Aufforderung nach dem Ende des Anspruchs auf Krankengeld sinnvoll ist, wird im Einzelfall geprüft.

1.1.2 Gefährdung/Minderung der Erwerbsfähigkeit

Die Krankenkasse kann zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe auffordern, wenn der Versicherte in seiner Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder gemindert ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn der Versicherte

  • wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 6 bzw. 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein[1],
  • wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann,
  • voll erwerbsgemindert ist und nicht erfolgreich in den allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann[2] oder
  • wegen Krankheit oder Behinderung nicht imstande ist, die von ihm bisher ausgeübte knappschaftliche Beschäftigung und eine andere, wirtschaftlich im Wesentlichen gleichwertige knappschaftliche Beschäftigung, die von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgeübt wird, nachzukommen.[3]

    Abzustellen ist nicht nur auf die Kriterien des § 43 SGB VI, sondern auf die persönlichen Verhältnisse de...

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