Rz. 4

Im Grundsatz bestimmt Abs. 1, dass Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht erbracht werden, soweit Pflegebedürftige gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Abs. 1 ist folglich eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes des § 2. Gesetzgeberisches Ziel war es, Doppelleistungen zu vermeiden.

Dabei ist die ‹Gleichartigkeit› der Leistungen für die Anwendung von § 63b Abs. 1 konkret festzustellen. ‹Gleichartig› mit Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII sind Leistungen anderer Sozialleistungsträger nur dann, wenn sie nicht nur den gleichen Zweck verfolgen, sondern über die Zweckidentität hinaus auch gleicher Art wie die Pflegehilfen der Sozialhilfe sind (vgl. schon zur Vorgängervorschrift im BSHG BVerwG, Urteil v. 31.1.1968, V C 27.67). Hauptanwendungsfall der bezüglich § 63b gleichartigen und damit grundsätzlich vorrangigen Leistungen sind z. B. die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gemäß §§ 36 ff. SGB XI (vgl. in diesem Zusammenhang zur Gabe von Sondennahrung während des Schulbesuchs: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 14.5.2019, L 9 SO 31/18 B ER), das Pflegegeld einer privaten Pflegeversicherung, Pflegegelder der Berufsgenossenschaften gemäß § 44 SGB VII oder auch Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB V (vgl. Meßling,in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 63b Rz. 19 m. w. N.).

 

Rz. 5

Abs. 2 Satz 1 regelt hinsichtlich der Blindenhilfe eine Ausnahme vom Grundsatz des Abs. 1. Danach sind Leistungen nach § 72 oder gleichartigen Rechtsvorschriften – hierzu gehören die landesrechtlichen Vorschriften zum Blindengeld – mit 70 % auf das Pflegegeld nach § 64a anzurechnen. Hintergrund ist, dass Leistungen der Blindenhilfe nicht deckungsgleich mit Leistungen der Hilfe zur Pflege sind (vgl. Meßling, a. a. O., § 63b Rz. 23 m. w. N.). Ist die Blindheit Ursache der Pflegebedürftigkeit, wird Pflegegeld ausschließlich innerhalb, nicht außerhalb (vgl. § 72 Abs. 4 Satz 1) von stationären Einrichtungen gewährt, sodass die Anrechnung überhaupt nur beim betroffenen Personenkreis in stationären Einrichtungen zum Tragen kommen kann.

Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass der Entlastungsbetrag nach § 45b SGB XI vorrangig vor dem der §§ 64i und 66 ist. Darüber hinaus sieht Abs. 2 Satz 2 HS 2 vor, dass eine Anrechnung der Leistungen nach § 45b SGB XI auf die übrigen Leistungen der Hilfe zur Pflege nicht stattfindet. Die Vorschrift erklärt sich vor dem Hintergrund der bezweckten Vermeidung des Bezugs des doppelten Entlastungsbetrages nach dem SGB XI und SGB XII.

 

Rz. 6

Abs. 3 Satz 1 ist § 63 Satz 3 in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung nachempfunden. Dieser lautete: „In einer stationären oder teilstationären Einrichtung erhalten Pflegebedürftige keine Leistungen zur häuslichen Pflege.“ Durch Abs. 3 Satz 1 wird klargestellt, dass der Träger der Sozialhilfe – wie auch die Pflegekassen – für den gleichen Zeitraum keine ambulanten Leistungen erbringen kann, wenn er bereits stationäre Hilfe leistet. Hintergrund ist die Annahme, dass von der stationären Betreuung sämtliche erforderlichen Hilfen bereits umfasst sind und keine zusätzliche häusliche Pflege notwendig ist. Die Regelung schließt nicht aus, dass in einer Wohnanlage des betreuten Wohnens ohne Einrichtungscharakter i. S. d. § 75 Abs. 1 ambulante Leistungen erbracht werden (vgl. zur Vorgängervorschrift im BSHG VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 11.8.1998, 7 S 1171/98). Soweit die in Einrichtungen gewährte Hilfe auf die Begründung eines eigenen Haushalts abzielt und die Pflege nicht Leistungsbestandteil der stationären Betreuung ist, soll der Ausschluss des Satzes 1 ebenfalls nicht greifen (vgl. Meßling, a. a. O., § 63b Rz. 33; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 63 Rz. 25).

 

Rz. 7

Abs. 3 Satz 2 enthält eine Sonderregelung und entspricht wiederum § 66 Abs. 3 in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung. Dieser lautete: „Bei teilstationärer Betreuung von Pflegebedürftigen oder einer vergleichbaren nicht nach diesem Buch durchgeführten Maßnahme kann das Pflegegeld nach § 64 angemessen gekürzt werden.“ Abs. 3 findet bei jeder teilstationären Betreuung eines Pflegebedürftigen Anwendung. Der Träger der Sozialhilfe kann eine angemessene Kürzung des Pflegegeldes folglich auch dann vornehmen, wenn er selbst die Kosten dieser Maßnahme nicht zu tragen hat (vgl. zur Vorgängervorschrift im BSHG VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 16.12.2002, 7 S 1082/00; vgl. auch Maschmeier, ZfSH/SGB 1995 S. 299). Dies hatte das BVerwG noch anders entschieden (BVerwG, Urteil v. 14.3.1991, 5 C 8/87). Der Gesetzgeber hatte diesbezüglich schon durch § 66 Abs. 3 a. F. Klarheit geschaffen und dies in § 63b Abs. 3 Satz 2 beibehalten. Unter teilstationäre Einrichtungen i. S. d. § 63b Abs. 3 Satz 2 fallen auch Sonderschulen, wenn sie über die Beschulung hinaus noch besondere, d. h. nicht (sonderschul-)typische, auf die Bedürfnisse Behinderter abgestellte Betreuungsmaßnahmen durchführen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 21.2.1984, 8 A ...

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