Rz. 61

Für Hilfen an Personen, die sich auf richterliche Anordnung in einer Einrichtung zum Vollzug von Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten § 98 Abs. 1 und 2 sowie §§ 106 und 109 entsprechend. Die genannten Einrichtungen werden somit den stationären Einrichtungen gleichgestellt. Der Einrichtungsort soll auch hier vor den besonderen Kostenbelastungen, die aus der Belegenheit herrühren, geschützt werden (vgl. Rz. 3, 29; Treichel/Schoch, LPK-SGB XII, § 98 Rz. 46). Die Bezugnahme auf Abs. 1 ist überflüssig, weil diese in Abs. 2 bereits enthalten ist (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 35). Darüber hinaus ist sie aber auch missverständlich, weil man annehmen könnte, dass für ambulante Hilfen während des stationären Freiheitsentzuges der Sozialhilfeträger des tatsächlichen Aufenthaltsortes, also des Einrichtungsortes, zuständig wäre. Ein solches Ergebnis entspricht nicht der Systematik des § 98 und ist auch nicht gewollt (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 30; a. A.: Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 98 Rz. 81). Ebenso überflüssig, wenn auch nicht missverständlich ist der Verweis auf § 109, da diese Vorschrift bereits nach ihrem Wortlaut ausdrücklich Anwendung auf § 98 findet (Steimer; in: Mergler/Zink, SGB XII, § 98 Rz. 82). Richterlich angeordneter Freiheitsentzug sind insbesondere Straf- und Untersuchungshaftvollzug, Jugendvollzug, Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt und Unterbringung psychisch Kranker nach den Unterbringungsgesetzen der Länder (BSG, Urteil v. 20.4.2016, B 8 SO 8/14 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 16.2.2018, L 8 SO 69/15). Entsprechende Anwendung finden die o. g. Vorschriften bei Aufenthalt in einer Einrichtung der Drogenhilfe gemäß §§ 35, 36 BtmG (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 30, unter Hinweis auf HessVGH, Urteil v. 18.1.1990, 9 TG 2990/88; Treichel/Schoch, LPK-SGB XII, § 98 Rz. 47; Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 33).

 

Rz. 62

An Sozialhilfeleistungen während des Vollzuges einer Freiheitsentziehung kommen z. B. Kosten der Unterkunft für die Beibehaltung der bisherigen Wohnung, Mietkosten für gelagerten Hausrat oder Krankenkassenbeiträge infrage (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 33), ferner Lagerkosten für Hausrat (OVG Niedersachsen, Urteil v. 4.12.2000, 4 M 3681/00), angemessener Barbetrag (BVerwG, Urteil v. 12.10.1993, 5 C 38/92). Auch in diesen Fällen bleibt Sozialhilfe subsidiär, sodass die vorrangige Leistungspflicht des Vollzugsträgers immer zu beachten ist (Treichel/Schoch, LPK-SGB XII, § 98 Rz. 50). So trägt er etwa im Rahmen des Strafvollzuges die Kosten der Unterkunft und Verpflegung (§§ 17 ff. StVollzG), auch der Kleidung (§ 20 StVollzG) und der umfassenden Gesundheitsfürsorge (§§ 56 ff. StVollzG).

 

Rz. 63

Zuständig für den von dem Vollzugsträger nicht gedeckten Bedarf und die deshalb ggf. erforderlichen sozialhilferechtlichen Leistungen (Treichel/Schoch, in: LPK-SGB XII, § 98 Rz. 50) ist nach Abs. 4 derjenige Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Leistungssuchende im Zeitpunkt der Aufnahme in die Vollzugseinrichtung seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte oder in den 2 Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat (dazu Rz. 35 ff.).

 

Rz. 64

Die Formulierung "aufgehalten haben" stellt sicher, dass die festgestellte örtliche Zuständigkeit in den Fällen fortbesteht, wenn sich an den Aufenthalt in der Vollzugseinrichtung nahtlos ein solcher in einer stationären Einrichtung i. S. d. Abs. 2 anschließt. Die Übertrittsregelung, die an sich nur zwischen Einrichtungen des Abs. 2 gilt, wird damit auf den Übertritt aus einer Vollzugseinrichtung nach Abs. 3 in eine stationäre Einrichtung nach Abs. 2 erstreckt (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 32). Hafturlaub oder Vollzugslockerung unterbrechen den Aufenthalt nicht (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 34; Hohm, in: Schellhorn e.a., SGB XII, § 98 Rz. 113 unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 20.4.2016, B 8 SO 8/14 R), wohl aber ein während des Hafturlaubs notwendig gewordener Krankenhausaufenthalt (BVerwG, Urteil v. 6.4.1995, 5 C 12/93).

 

Rz. 65

Einrichtungen i. S. d. Abs. 4 sind neben den Justizvollzugsanstalten Untersuchungshaftvollzugsanstalten, Sicherungsverwahrungseinrichtungen, Jugendarrestanstalten, Entziehungsanstalten und psychiatrische Krankenhäuser für den Vollzug der Maßregeln nach §§ 63, 64 StGB (BSG, Urteil v. 20.4.2016, B 8 SO 8/14 R). Der Aufenthalt in einer solchen Einrichtung wird nicht dadurch unterbrochen, dass ein gelegentlicher tatsächlicher Aufenthalt außerhalb der Einrichtung, etwa während einer Beurlaubung, besteht. Denn während dieser Zeit besteht der Vollzug weiter, der Betroffene bleibt daher insgesamt weiter in der Obhut der Anstalt (Steimer, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 98 Rz. 79; Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 34; BVerwG, Urteil v. 6.4.1995, 5 C 12/93). Lebt allerdings der Leistungsber...

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