Rz. 2

Sozialhilfe dient dazu, eine gegenwärtige Notlage zu beheben (BVerwG, Urteil v. 17.11.1994, 5 C 13/92; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.11.2006, L 7 SO 4415/05). Daher ist eine schnelle, möglichst einfache und wenig streitbefangene Zuständigkeitsfeststellung erforderlich. Ferner ist wegen der immer zu berücksichtigenden Besonderheiten des Einzelfalles eine möglichst große Ortsnähe des leistungsgewährenden Sozialhilfeträgers notwendig (Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 8); denn der ortsnahe Träger ist grundsätzlich derjenige, der "im Interesse des Hilfenachfragenden eine effektive und schnelle Beseitigung der gegenwärtigen Notlage ermöglichen" kann (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 2; vgl. auch unten Rz. 12 ff.).

 

Rz. 3

Da die Leistung von Sozialhilfe keine förmliche Mitgliedschaft – wie etwa bei der Sozialversicherung – oder bestimmte Statusmerkmale – etwa Kriegsopfer, Arbeitsloser, Erwerbsunfähiger – voraussetzt, die als Anknüpfungspunkt oder als Zuständigkeitsvoraussetzung dienen könnten, ist eine andere Regelung erforderlich. Es bot sich daher seit Bestehen der Sozialhilfe an, den tatsächlichen Aufenthaltsort des Leistungssuchenden zum Anknüpfungspunkt zu machen. Daher ist nach § 98 der tatsächliche Aufenthaltsort im Bereich eines (örtlichen oder überörtlichen, vgl. § 3) Sozialhilfeträgers das Bestimmungsmerkmal für dessen Zuständigkeit. Daher gehört niemand einem besonderen Sozialhilfeträger an. Vielmehr kann dieser je nach Sachlage wechseln.

 

Rz. 3a

Das Prinzip des tatsächlichen Aufenthalts galt bis 1993 auch für stationäre Leistungen. Dem finanziellen Ausgleich dienten die Erstattungsregelungen der §§ 103 ff. BSHG ("Schutz des Anstaltsortes", Steimer, in: Mergler/Zink SGB XII, § 98 Rz. 51). Das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) v. 23.6.1993 (BGBl. I S. 944) führte für stationäre Leistungen das Herkunftsprinzip ("gewöhnlicher Aufenthalt" vor Aufnahme in die Einrichtung) ein (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 3). Damit wurde der nach altem Recht lediglich kostenerstattungspflichtige Träger zum für die Maßnahme zuständigen Träger mit der Folge, dass seitdem die Zahl der (streitanfälligen) Kostenerstattungsfälle erheblich zurückgegangen ist (Deckers, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, § 98 Rz. 3). Die Änderung hat allerdings auch zur Folge, dass die bis dahin im Kostenerstattungsverfahren zwischen den Sozialhilfeträgern ohne Beteiligung des Leistungsberechtigten ausgetragenen Streitfälle nunmehr die Form eines Zuständigkeitsstreits angenommen haben. Damit wird der Leistungsberechtigte als Partei in diese Konfliktfälle hineingezogen (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 1a). Ferner kann das Herkunftsprinzip dazu führen, dass der örtlich zuständige Träger von dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung weit entfernt liegt. Eine an sich wünschenswerte Fallsteuerung wird dadurch erheblich erschwert (Rabe, in: Fichtner/Wenzel, SGB XII, § 98 Rz. 2). Vermeiden lassen sich die jeweiligen Nachteile der beiden Prinzipien (aufwändige Kostenerstattungsverfahren einerseits, Zuständigkeitsstreit und ortsferne Verantwortlichkeit andererseits) nur über einen staatlich gesteuerten Finanzausgleich, wozu anscheinend der politische Wille oder die politische Kraft fehlt (vgl. Rz. 29).

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