0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist als Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) am 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft getreten. Durch Art. 10 Nr. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) sind mit Wirkung zum 30.3.2005 in Abs. 3 Satz 1 die Wörter "Zweiten Abschnitts des Dritten Titels" durch die Wörter "Dritten Titels des Zweiten Abschnitts" ersetzt worden, wodurch ein redaktioneller Fehler beseitigt wurde (vgl. BR-Drs. 676/04 zu Art. 10 Nr. 4). Abs. 5 wird mit Wirkung zum 1.1.2020 durch Art. 13 Nr. 17 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) aufgehoben.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift entspricht in weiten Teilen dem früheren § 38 BSHG. Dieser sollte ursprünglich inhaltsgleich ins SGB XII übernommen werden (vgl. § 47 RegE [BR-Drs. 559/03 S. 34 sowie die Begründung S. 198]). Durch den Bundestagsausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung erfolgte eine redaktionelle klarstellende Änderung in Abs. 1 (BT-Drs. 15/1734 S. 30 f. sowie Bericht BT-Drs. 15/1761 S. 7). Erst auf die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses hin wurde die bisherige Regelung des § 38 Abs. 2 BSHG gestrichen und in dem bisherigen Abs. 3, dem neuen Abs. 2, der jetzige Abs. 2 Satz 2 angefügt.

 

Rz. 3

Zum mit der ersatzlosen Streichung von § 38 Abs. 2 BSHG verbundenen Abschied vom Prinzip der Vollbedarfsdeckung vgl. Komm. zu § 48.

 

Rz. 4

Die Vorschrift gilt für das gesamte Recht der Hilfen zur Gesundheit. Sie stellt in Abs. 1 und 2 allgemeine Leistungsgrundsätze auf. Abs. 3 regelt das für die Hilfen zur Gesundheit maßgebende Leistungserbringerrecht und ist insbesondere hinsichtlich der Vergütung Spezialvorschrift zu §§ 75 ff. Abs. 4 und 5 enthalten Regelungen zu speziellen Leistungen.

2 Rechtspraxis

2.1 Anbindung an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung (Abs. 1)

 

Rz. 5

In Abs. 1 Satz 1 wird klargestellt, dass die Hilfen nach §§ 47 bis 51 den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Im Vergleich zu § 38 Abs. 1 Satz 1 BSHG fehlt der Zusatz "soweit in diesem Gesetz keine andere Regelung getroffen ist". Damit sind die Leistungen des Fünften Kapitels ihrem Umfang nach umfassend an das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung angebunden (Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 06/19, § 52 Rz. 6). Nicht von §§ 47 bis 51 umfasste Leistungen muss der Hilfeempfänger aus dem Regelsatz bestreiten (vgl. dazu BSG, Urteil v. 15.11.2012, B 8 SO 6/11 R). Die Möglichkeit, nach dem SGB V "ausgeschlossene" Leistungen über einen Anspruch nach dem Sechsten Kapitel (Eingliederungshilfe) zu erhalten, bleibt jedoch unberührt (vgl. dazu zuletzt BSG, Urteil v. 18.7.2019, B 8 SO 4/18 R zur Versorgung mit einer Brille, sowie LSG Hamburg, Urteil v. 12.3.2018, L 4 SO 17/15 Rz. 21 zur Petö-Therapie). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anbindung an den Leistungsumfang des SGB V bestehen schon deshalb nicht, weil mit der Regelung eine Gleichstellung von Hilfeempfängern mit gesetzlich Versicherten erzielt wird, die im Gegenteil vielmehr dem Gleichbehandlungsgebot der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG) entspricht (vgl. zur Problematik der Anbindung an das Leistungssystem des SGB V auch ausführlich die Komm. zu § 48 Rz. 17 m. w. N.).

 

Rz. 6

Während die meisten Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung gesetzliche Pflichtleistungen sind, bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen also ohne einen Entscheidungsspielraum der Krankenkassen gewährt werden müssen (sog. Muss-Leistungen; vgl. Komm. zu § 17), können die Krankenkassen bei einigen (wenigen) Leistungen entscheiden, ob sie ihren Mitgliedern zugutekommen sollen. Die entsprechenden Regelungen erfolgen abstrakt-generell in den Satzungen der Krankenkassen (vgl. § 34 SGB IV, § 81 SGB V sowie die dazugehörigen Kommentierungen), wobei den Krankenkassen hinsichtlich des Ob und Wie ein Satzungsermessen zusteht. Das Instrument der Satzung, das auf der Selbstverwaltungsautonomie der Krankenkassen beruht, steht den Sozialhilfeträgern, die keine Selbstverwaltungskörperschaften sind, jedoch nicht zur Verfügung. Demgemäß kommt bei den entsprechenden Leistungen nur eine konkret-individuelle Entscheidung in Frage, bei der die Sozialhilfeträger Einzelfallermessen ausüben müssen. Die Pflicht hierzu ist in Abs. 1 Satz 2 geregelt. Auf diese Weise wird auch jenseits der Pflichtleistungen eine größtmögliche Leistungskongruenz zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und Sozialhilfe hergestellt.

 

Rz. 7

Ermessensleistungen, auf die Abs. 1 Satz 2 Anwendung findet, sind (dazu § 11 Abs. 6 SGB V) u. a. Präventionsleistungen (§ 20 Abs. 1 SGB V), Schutzimpfungen (§ 20d Abs. 2 Satz 1 SGB V), medizinische Vorsorgeleistungen, hinsichtlich derer ein Zuschussanspruch bestehen kann (§ 23 Abs. 2 Satz 1 SGB V), Leistungen der häuslichen Krankenpflege, Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung neben Behandlungspflege (...

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