Rz. 160

Mit Abs. 7 wurde zum 1.1.2023 erstmals eine Gesamtangemessenheitsgrenze zur Beurteilung der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im SGB XII eingeführt, die im SGB II bereits seit dem 1.8.2016 existiert (vgl. § 22 Abs. 10 SGB II).

Die bis zum 31.07.2016 getrennte Prüfung der Angemessenheit von einerseits Bedarfen für Unterkunft und andererseits für Heizung im Rahmen des § 22 SGB II beruhte auf dem schlüssigen Konzept, das das BSG für die Beurteilung der abstrakten Angemessenheit (nur) der Aufwendungen für die Unterkunft entwickelt hat, während die abstrakte Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung praktisch bislang nicht möglich ist (vgl. BSG, Urteil v. 12.6.2013, B 14 AS 60/12 R Rz. 21 und weiter oben). Die Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für Heizung erfolgte daher bisher isoliert und allein orientiert an den Verhältnissen des Einzelfalls (s. o.).

 

Rz. 161

Nach § 35 Abs. 7 Satz 1 ist – dies allerdings erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung (vgl. BSG, Urteil v. 17.9.2020, B 4 AS 11/20 R Rz. 27 zur Geltung der Gesamtangemessenheitsgrenze in § 22 Abs. 10 ab dem 1.8.2016) am 1.1.2023 – die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 auch im SGB XII zulässig. Der Sozialhilfeträger muss die Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft einerseits und der Bedarfe für Heizung andererseits somit nicht mehr getrennt voneinander ermitteln. Er kann vielmehr eine einheitliche Grenze bilden, indem er den Maximalwert der sozialhilferechtlich angemessenen Unterkunftskosten mit den angemessenen Heizkosten für die jeweilige Wohnung addiert. Überschreiten die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung die so ermittelte Gesamtangemessenheitsgrenze insgesamt nicht, sind sie als Bedarf anzuerkennen. Ob die Aufwendungen für die Unterkunft oder für die Heizung – isoliert betrachtet – die jeweils geltende Angemessenheitsgrenze überschreiten, ist unerheblich, solange die Gesamtangemessenheitsgrenze nicht überschritten wird.

Die seit dem 1.1.2023 im SGB XII auch außerhalb einer kommunalen Satzung mögliche Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze bei der Festlegung der jeweiligen Angemessenheitsgrenze führt aus Sicht des Gesetzgebers insbesondere dazu, dass mehr angemessene Wohnungen zur Verfügung stehen; denn höhere Aufwendungen für die Unterkunft können auf diese Weise durch geringere Aufwendungen für die Heizung ausgeglichen werden und umgekehrt. Damit entfallen zugleich für die Leistungsberechtigten belastende und für die Verwaltung aufwendige Kostensenkungsaufforderungen (vgl. zu alledem BT-Drs. 18/8041 S. 41). Die mit der Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze grundsätzlich verbundene Begünstigung der leistungsberechtigten Person hält der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für gerechtfertigt (BT-Drs., a. a. O., S. 42).

 

Rz. 162

Satz 2 bestimmt, dass für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden kann, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Die Vorschrift lässt also (ab dem 1.1.2023) die Heranziehung des in der Praxis von Behörden und Gerichten für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Heizung bereits herangezogenen Grenzwertes auch für die Gesamtangemessenheitsgrenze ausdrücklich zu. Dies führt aus Sicht des Gesetzgebers zu einem Gleichklang der getrennten Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung mit der Prüfung im Rahmen der Gesamtangemessenheitsgrenze (vgl. BT-Drs., a. a. O., S. 42).

 

Rz. 163

Satz 3 ordnet die entsprechende Geltung von § 35 Abs. 3 und § 35a Abs. 2 Satz 2 an. Er stellt klar, dass die Grundsätze des § 35 Abs. 1 und 3 bzw. (bei einem Unterkunftswechsel) des § 35a Abs. 2 Satz 2 auch bei der Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze anzuwenden sind. Insbesondere steht es dadurch leistungsberechtigten Personen im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG offen, im Einzelfall darzulegen, dass die Aufwendungen für Heizung bzw. die Gesamtaufwendungen angemessen sind, wenn die Gesamtaufwendungen die abstrakte Gesamtangemessenheitsgrenze überschreiten (vgl. zu letzterem BT-Drs., a. a. O., S. 42).

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