Rz. 34

Wie schon im Recht der Sozialhilfe nach dem BSHG (vgl. BVerwG, Urteil v. 21.1.1988, 5 C 68/85 Rz. 10) sind die Kosten der Unterkunft (und Heizung; dazu noch weiter unten) i. d. R. nach sog. Kopfteilen aufzuteilen, wenn mehrere Personen in einer Wohnung leben (BSG, Urteil v. 31.10.2007, B 14/11b 7/07 R Rz. 19 m. w. N.; zur Kopfteilmethode im Allgemeinen: BSG, Urteil v. 23.3.2021, B 8 SO 14/19 R Rz. 16 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil v. 21.1.1988, 5 C 68.85). D.h., die gesamten Unterkunfts- (und Heizkosten) sind durch die Anzahl der Bewohner einer Wohneinheit zu teilen (krit. zur Kopfteilmethode aus familienrechtlicher Sicht Schürmann, SGb 2010, 166). Dies setzt aber voraus, dass überhaupt Kosten für jede Person anfallen. Lebt etwa eine volljährige hilfebedürftige Person mit nicht hilfebedürftigen verwandten oder verschwägerten Personen in einer Haushaltsgemeinschaft zusammen und besteht weder die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II noch einer Einsatzgemeinschaft nach dem SGB XII noch einer sog. gemischten Bedarfsgemeinschaft, bei der mindestens eine Person dem System des SGB II und mindestens eine andere dem System des SGB XII zuzuordnen ist, setzt die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung tatsächliche Aufwendungen des Hilfebedürftigen voraus (vgl. BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 8 SO 29/10 R Rz. 12 m. w. N.).

 

Rz. 35

Abweichendes gilt nach der Sonderregelung des § 42a Abs. 3 für Personen, die nach dem Vierten Kapitel des SGB XII leistungsberechtigt sind, gemeinsam mit mindestens einem Elternteil, einem volljährigen Geschwisterkind oder einem volljährigen Kind in einer Wohnung leben und nicht vertraglich zur Tragung von Unterkunftskosten verpflichtet sind; denn nach § 42a Abs. 1 Satz 1 sind Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 35 (nur) anzuerkennen, soweit in § 42a Abs. 2 bis 7 nichts Abweichendes geregelt ist. Eine solche abweichende Regelung trifft § 42a Abs. 3 Satz 4, der zum 1.7.2017 in Kraft getreten ist (beachte aber auch die Übergangsvorschrift des § 133b für bereits vor dem 1.7.2017 anerkannte Bedarfe nach § 35). Nach § 42a Abs. 3 Satz 4 kommt es für leistungsberechtigte Personen, die mit mindestens einem der in Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 genannten Familienmitglieder in einer Wohnung i. S. v. § 42a Abs. 2 Satz 2 zusammenleben und die sonstigen Voraussetzungen des § 42a Abs. 3 Satz 1 erfüllen, – abweichend von § 35 – auf die nachweisbare Tragung von tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht an. Vielmehr normiert § 42a Abs. 3 – entgegen der Kopfteilmethode – eine Berechnung und Anerkennung pauschalierter fiktiver Unterkunftskosten nach der Differenz- bzw. Mehraufwandsmethode (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil v. 23.3.2021, B 8 SO 14/19 R Rz. 16 ff. sowie die Komm. zu § 42a).

 

Rz. 36

§ 42a Abs. 3 ist in Reaktion auf höchstrichterliche Entscheidungen aus dem Jahr 2015 zu sehen und wird insbesondere relevant bei volljährigen, behinderten Personen, die mit ihren nicht hilfebedürftigen Eltern oder einem Elternteil in einer Mietwohnung oder in selbst genutztem Wohneigentum leben und leistungsberechtigt nach dem Vierten Kapitel sind. Die Sozialhilfeträger übernahmen in solchen Fällen oftmals grundsätzlich keine Kosten der Unterkunft, weil sie – gestützt auf die frühere Rechtsprechung des BSG (Urteile v. 14.4.2011, B 8 SO 18/09 R, und v. 25.8.2011, B 8 SO 29/10 R) – davon ausgingen, dass die Leistungsberechtigten einer entsprechenden zivilrechtlichen Forderung nicht ausgesetzt sind. Das BSG hat seine Rechtsprechung im Jahr 2015 dahingehend präzisiert, dass zu den tatsächlichen Aufwendungen für eine Unterkunft auch die Kosten gehören, die der leistungsberechtigten Person durch die Nutzung der Wohnung entstehen und von ihr faktisch (mit-)getragen werden, ohne dass eine entsprechende rechtliche Verpflichtung bestehen muss (BSG, Urteil v. 17.12.2015, B 8 SO 10/14 R Rz. 16, und Beschluss v. 21.11.2018, B 8 SO 62/18 B Rz. 5). Es soll genügen, wenn sich die betroffenen Bewohner über die Tragung der Kosten faktisch einig sind. Dabei obliegt es allein der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall, ob gegenüber der leistungsberechtigten Person die ernsthafte Erwartung einer Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung besteht (BSG, a. a. O.). Wie diese mitunter schwierigen Feststellungen (vgl. Berlit, in: jurisPR-SozR 12/2016 Anm. 2) mit Blick auf den betroffenen Personenkreis, der nicht selten in den geistigen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt ist, konkret zu treffen sein sollen, hat das BSG nicht näher ausgeführt (vgl. zu den in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Aspekten etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 18.2.2016, L 9 SO 145/14). Um diesen Schwierigkeiten und dem damit einhergehenden Verwaltungsaufwand Rechnung zu tragen und für den betroffenen Personenkreis einen vereinfachten Zugang zu Leistungen für Unterkunft (und Heizung) zu schaffen, hat der Gesetzgeber in § 42a Abs. 3 unabhängig vom Nachweis tatsächlicher Unterkunftsaufwendungen einen Anspruch ...

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