Rz. 2

Der das Recht der Sozialhilfe prägende Nachranggrundsatz ist einer der zentralen Kernsätze des Sozialhilferechts (Fichtner/Wenzel, SGB XII – Sozialhilfe mit AsylbLG, Kommentar, 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 1; Armborst, Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar, 11. Aufl. 2018, § 2 Rz. 1; Freitag, Sozialhilferecht, 2. Aufl. 2005, S. 30; Linhart/Adolph, SGB II, XII, AsylbLG, 87. Aktualisierung, Stand: Juni 2014, § 2 Rz. 2; Dauber, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II, Bd. 1, 16. Lfg. Stand: März 2010, § 2 Rz. 6; Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 6. Aufl. 2018, § 2 Rz. 2; Schlegel/Voelzke, SGB XII, Juris-Praxiskommentar, 2. Aufl. 2014, § 2 Rz. 8 ff.; Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, Kommentar, 18. Aufl. 2010, § 2 Rz. 1). Er besagt, dass der, der sich selbst helfen kann oder von dritter Seite Hilfe tatsächlich erhält (erhalten kann), keine Leistungen der Sozialhilfe erhält (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 2 Rz. 2). Bei diesem Grundsatz, der auch als "Subsidiaritätsgrundsatz" – die größere Gemeinschaft soll die Aufgabe der kleineren Gemeinschaft nicht beeinträchtigen, an sich ziehen oder gar bevormunden – bezeichnet werden kann (Grube/Wahrendorf, a. a. O., 4. Aufl., § 2 Rz. 2; Fichtner/Wenzel, a. a. O., § 2 Rz. 1), handelt es sich um eine Grundsatzbestimmung, die das gesamte Sozialhilferecht kennzeichnet. Der Begriff der Subsidiarität ist hier nicht in einem institutionellen Sinn zu verstehen, die das Verhältnis zwischen staatlichen Sozialleistungsträgern und der Freien Wohlfahrtspflege beschreibt (Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 2 Rz. 5; Wenzel/Fichtner, SGB XII – Sozialhilfe mit AsylbLG, Kommentar, 4. Aufl. 2009, § 2 Rz. 4).

Der Nachranggrundsatz in seiner konsequenten Anwendung wird auch damit gerechtfertigt, dass die Fürsorgeleistungen des Sozialhilferechts aus Steuern finanziert werden. Es soll von diesen Mitteln wirklich nur die Person profitieren, die sich auf andere Art und Weise nicht selber helfen kann (Linhart/Adolph, a. a. O., § 2 Rz. 5 unter Hinweis auf BVerfGE 17 S. 38; 27 S. 220).

Wenn die Gesetzesbegründung zu § 2 SGB XII schlicht davon spricht, dass die ursprüngliche Regelung des § 2 BSHG "inhaltsgleich" übernommen worden sei, dann ist dies nur mit einer Einschränkung richtig. Zwar wird betont, dass typische, nicht abschließend aufgezählte Selbsthilfemöglichkeiten ergänzt worden seien. Aber deutlich wird schon an dem Inhalt der Aufzählung, dass das Recht der Sozialhilfe völlig veränderten Gesichtspunkten unterworfen wird, die ihren eigentlichen Ursprung in der Einführung des SGB II haben und damit in einem gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderten System bzw. Verständnis von staatlicher, sozialer Unterstützung (vgl. insoweit auch Grube/Wahrendorf, a. a. O., § 2 Rz. 11, 12; Schellhorn/Jirasek/Seipp, a. a. O., § 2 Rz. 5).

Es stellt keinen Verstoß gegen das grundgesetzlich gebotene Sozialstaatsprinzip dar, wenn man von hilfesuchenden Personen zunächst die Aktivierung eigener Ressourcen verlangt, bevor staatliche Hilfe einsetzt. Jedoch bedeutet der Nachranggrundsatz, dass sein Inhalt von den zuständigen Sozialhilfeträgern bei der Anwendung des Rechts der Sozialhilfe zu beachten ist. Der Nachranggrundsatz ist insoweit auch eine sog. Rechtsanwendungsregel, die bei der Gesetzgebung zu beachten ist (Armborst, a. a. O., § 2 Rz. 3).

Der Nachranggrundsatz ist immer im Gesamtzusammenhang mit dem Grundsatz der Achtung der Menschenwürde (§ 1), dem Individualisierungs- und Bedarfsdeckungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1) und dem Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 16) zu sehen.

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