Rz. 23

Der g.A. der Eltern ist nur dann als Anknüpfungsmerkmal für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit geeignet, wenn beide Elternteile einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt im Bereich eines örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe begründen. Ist dies nicht der Fall und haben die Elternteile ihren g.A. in zwei unterschiedlichen Jugendamtsbereichen, bedarf es zwangsläufig eines weiteren Unterscheidungsmerkmals. In diesen Fällen tritt als weiteres Merkmal das Personensorgerecht in den Vordergrund. Absatz 2 Satz 1 erklärt bei verschiedenen g.A. der Elternteile im Zeitpunkt vor bzw. bei Leistungsbeginn den örtlichen Träger für zuständig, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen Lebensmittelpunkt hat, für den Fall, dass das Personensorgerecht nur einem Elternteil zusteht. Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit reicht es allerdings aus, wenn dieser Elternteil (noch) berechtigt ist, zumindest Teile der elterlichen Sorge auszuüben, während die anderen Teile ggf. infolge eines richterlichen Entzugs i. S. d. § 1666 BGB einem Pfleger (etwa dem Jugendamt) übertragen wurden (z. B. Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts in Kombination mit dem Recht, einen Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Erziehung stellen zu können). Auf den Umfang der bei dem personensorgeberechtigten Elternteil verbleibenden Befugnisse des § 1631 Abs. 1 BGB kommt es nicht an (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.12.2015, 12 A 2645/14; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 12.1.2009, 12 A 2357/07; VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 23.3.2004, 9 S 575/03). Ist hingegen dem Jugendamt (nur) das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden, wird es allein damit nicht in die Lage versetzt, einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung für das Kind oder den Jugendlichen stellen zu können. Hierzu bedarf es zusätzlich der Übertragung des Rechts, einen solchen Antrag stellen zu dürfen. Wurde dieses Recht nicht übertragen und gewährt das zuständige Jugendamt auf Antrag des Jugendamtes als (reinem) Aufenthaltsbestimmungspfleger dennoch Hilfe zur Erziehung, ist diese Hilfe rechtswidrig (ähnlich VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 19.4.2005, 9 S 109/03).

 

Rz. 24

Begründet dieser Elternteil nach Beginn der Leistung seinen g.A. (z. B. durch Zuzug) in einem anderen Jugendamtsbereich neu, so wird gemäß Abs. 2 Satz 1 das Jugendamt am neuen gewöhnlichen Aufenthaltsort für die Gewährung der Leistung örtlich zuständig (Prinzip der sog. wandernden Zuständigkeit). Die an dieser Stelle bisweilen vertretene Auffassung, die Zuständigkeit sei nach Abs. 2 Satz 1 neu zu beurteilen, musste im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BVerwG v. 9.12.2010 zwischenzeitlich zunächst (leider) aufgegeben werden (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen in Rz. 40). Mit der Neufassung des Abs. 5 Satz 2 hat der Gesetzgeber, neben der (zum Teil) bereits selbst wieder aufgegebenen Rechtsauffassung des BVerwG in seinem Urteil v. 14.11.2013 (5 C 34/12), inzwischen jedoch klargestellt, dass die Regelung des Abs. 5 nur diejenigen Fälle umfasst, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen. Wird diesem Elternteil das Personensorgerecht entzogen und auf den anderen Elternteil übertragen, wechselt die örtliche Zuständigkeit (ebenfalls nach Abs. 2 Satz 1) zum Jugendhilfeträger am Ort des g.A. des anderen sorgeberechtigt gewordenen Elternteils. Ein derartiger Wechsel ist sachgerecht, zumal nur der Personensorgeberechtigte, beispielsweise im Fall der Hilfe zur Erziehung, einen entsprechenden Anspruch nach §§ 27 ff. gegenüber dem Jugendamt geltend machen kann. Darüber hinaus ist dieser Elternteil mit der Sorgerechtsübertragung zum neuen "Ansprechpartner" des Jugendamtes für die weitere Zusammenarbeit, z. B. im Rahmen der künftigen Hilfeplanung gemäß §§ 36 f., geworden. Je nach Lage des Einzelfalls ist dieser Elternteil entsprechend der Zielsetzung des SGB VIII pädagogisch zu begleiten bzw. zu fördern, um ggf. eine Rückführung des Kindes oder Jugendlichen in seinen Haushalt anstreben zu können, soweit für das Kind oder den Jugendlichen keine anderweitige langfristige Perspektive erarbeitet worden ist.

 

Rz. 25

Werden diesem Elternteil nach Leistungsbeginn die noch verbleibenden Teile der Personensorge entzogen und steht ihm damit die komplette Personensorge nicht mehr zu, so richtet sich die Zuständigkeit ab diesem Zeitpunkt nach Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 und 4. Es kommt also darauf an, bei welchem Elternteil das Kind oder der Jugendliche (in den letzten 6 Monaten) vor Leistungsbeginn seinen g.A., hilfsweise den tatsächlichen Aufenthalt hatte. Sofern dies bei beiden Elternteilen nicht der Fall gewesen sein sollte, wäre auf den eigenen g.A. bzw. tatsächlichen Aufenthalt vor Beginn der Leistung abzustellen (siehe hierzu die weiteren Erläuterungen, Rz. 27 ff.). Abs. 5 Satz 2 kommt hier nicht zur Anwendung, denn diese Vorschrift setzt voraus, dass die Eltern erstmalig nach Hilfebeginn verschiedene g.A. begründen. "Die Anwendung...

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