Rz. 39

§ 86 Abs. 5 setzt für dessen Anwendung voraus, dass die Eltern ihren g.A. nach Beginn der Leistung verändern und dadurch erstmalig verschiedene g.A. begründen. Dabei entfaltet Abs. 5 bereits dann seine Rechtswirkung, wenn nur ein Elternteil seinen g.A. in einen anderen Jugendamtsbereich verlegt und sich hierdurch verschiedene g.A. ergeben. Es ist also für den Eintritt der Rechtsfolge keine zwingende Voraussetzung, dass beide Elternteile ihren bisherigen Lebensmittelpunkt aufgeben und im Anschluss daran in einem anderen (neuen) Jugendamtsbereich neu begründen müssen. Häufiger Anwendungsfall dürfte der Fall der Trennung und/oder Scheidung der Eltern sein, in dem die Eltern zunächst nach § 86 Abs. 1 Satz 1 einen gemeinsamen g.A. in einem Jugendamtsbereich haben, nach der Trennung und/oder Scheidung ein Elternteil (oder auch beide) in den Verantwortungsbereich eines anderen örtlichen Jugendhilfeträgers verziehen, um ggf. mit ihrem bisherigen Leben zu "brechen".

 

Rz. 40

An dieser Stelle musste die bislang stets vertretene Auffassung, dass die Vorschrift ausschließlich im Kontext zu § 86 Abs. 1 Satz 1 zu sehen sei, zunächst aufgegeben werden. Sie kann aber einerseits für Fälle bis zum 31.12.2013 durch die zum Teil wieder geänderte Rechtsauffassung des BVerwG (Urteil v. 14. 11.2013, 5 C 34/12) und andererseits für diejenigen ab 1.1.2014 durch die vom Bundesgesetzgeber klarstellende Ergänzung des Abs. 5 Satz 2 wieder hervorgeholt werden. Die reaktivierte Rechtsauffassung ergibt sich bereits aus ihrem eindeutigen Wortlaut "Begründen die Elternteile nach Beginn der Leistung verschiedene g.A., …", darüber hinaus auch schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, da Elternteile nach einer begonnenen Leistung erst dann verschiedene g.A. begründen können, wenn sie zum Zeitpunkt des Beginns der Leistung einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt inne hatten. Das BVerwG hatte das wohl offenbar zunächst anders gesehen (vgl. hierzu auch die Ausführungen in Rz. 25 f.) und in 2 Grundsatzentscheidungen davon abweichend festgelegt, dass die Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 5 SGB VIII auch in den Fällen anwendbar sei, in denen die Eltern bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und diese während des Leistungsbezuges zwar verändern, aber dennoch verschiedene gewöhnliche Aufenthalte beibehalten (BVerwG, Urteil v. 9.12.2010, 5 C 17/09, in Ergänzung des Urteils v. 30.9.2009, 5 C 18.08). Der Anwendungsbereich des § 86 Abs. 5 SGB VIII sei, so die damalige Rechtsauffassung des Gerichts, nicht etwa auf die in der Entscheidung vom 30.9.2009 ausdrücklich erwähnten Fallgestaltungen beschränkt, in denen die Eltern erstmals nach Beginn der Leistung verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen und gegebenenfalls im Anschluss daran ihren Aufenthalt unter Aufrechterhaltung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte erneut verändern (Urteil v. 30.9.2009). Vielmehr greife die Vorschrift entsprechend ihrem Charakter als umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn auch ein, wenn die Eltern bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehalten. Diese "bahnbrechende" (diesseitiger Auffassung nach zulasten der Jugendhilfepraxis wie auch der Hilfeempfänger allerdings fachlich bis ins Letzte eher weniger durchdachte) Entscheidung führte nun in vielen Fällen zu völlig kuriosen Zuständigkeiten, nämlich weg von der vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehenen "wandernden" Zuständigkeit, hin zu einer wohl oder übel "statischen" Zuständigkeit. Dabei ist mehr als beachtlich, dass in deren Konsequenz in bestimmten Konstellationen weder an den Aufenthaltsort eines der beiden (personensorgeberechtigten) Elternteile, noch an den des Kindes oder Jugendlichen selbst mehr angeknüpft werden konnte (so auch im Ergebnis das Sächsische OVG, vgl. Rz. 25).

 

Rz. 40a

Insbesondere dürfte sie in Teilbereichen der Jugendhilfe, wie z. B. in der Kita-Betreuung, völlig abstruse Auswirkungen gehabt haben, die zu guter Letzt den zuständig bleibenden Träger in eine praktische wie auch rechtliche "Unmöglichkeit" hineinmanövrierte. Begründete nämlich die bei Hilfebeginn in A lebende sorgeberechtigte Kindesmutter – zusammen mit ihrem sich in einer Kita-Betreuung befindenden Kind – (neben dem in B lebenden, ebenfalls sorgeberechtigten Kindesvater) nach Hilfebeginn einen neuen g.A. im 800 km entfernten C, blieb nach der Rechtsprechung des BVerwG in Anwendung des § 86 Abs. 5 Satz 2 die bisherige Zuständigkeit bestehen, also diejenige des Trägers in A. Scheinbar hatte das BVerwG derartige Fallkonstellationen bei seinen Überlegungen schlichtweg übersehen. Ansonsten hätte zumindest auffallen müssen, dass der bisher zuständige und demnach auch weiterhin zuständige Träger in A in der Folge keinen rechtsverbindlich verpflichtenden Einfluss auf eine Kita-Platzvergabe zugunsten des Kindes im fernen C hatte und auch nicht hätte haben können. Es wä...

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