Rechtskraft nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hilfe zur Erziehung. Kostenerstattung. Pfleger. Aufenthaltsbestimmungsrecht. Wirkungskreis. Personensorgeberechtigter. Befugnis. Vormund

 

Leitsatz (amtlich)

Ist dem Jugendamt als Pfleger (nur) das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die verfahrensrechtliche Befugnis übertragen worden, das ohne Begleitung eingereiste Kind, beziehungsweise den Jugendlichen vor Behörden und Gerichten zu vertreten, so folgt hieraus nicht die Befugnis, Hilfe zur Erziehung nach §§ 27ff SGB VIII zu beantragen. Eine auf Grundlage eines Antrags des Pflegers bewilligte Hilfe ist daher auch dann rechtswidrig und steht einem Kostenerstattungsanspruch nach § 89 d SGB VIII entgegen, wenn der Personensorgeberechtigte dieser Hilfe nicht ausdrücklich widersprochen hat.

 

Normenkette

GG Art. 6 Abs. 2; SGB VIII §§ 27, 89d, 89f, 89h

 

Verfahrensgang

VG Karlsruhe (Urteil vom 03.12.2002; Aktenzeichen 5 K 1765/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 03. Dezember 2002 – 5 K 1765/01 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als örtlicher Jugendhilfeträger vom Beklagten Erstattung von Kosten, die er für den Jugendlichen xxxxx xxxxxxxx – im folgenden: F. D. – aufgewendet hat.

F. D. wurde am 10.02.1982 in der Türkei geboren und ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern leben in der Türkei. Er reiste ohne Begleitung seiner Eltern an einem objektiv nicht mehr feststellbaren Tag, nach eigenen Angaben am 02.06.1997, auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde auf sein Hilfegesuch vom 27.06.1997 vom Bezirksamt Treptow des Klägers in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Obhut genommen.

Mit Beschluss vom 30.07.1997 bestellte das Amtsgericht – Familiengericht – Köpenick das Bezirksamt Treptow des Klägers vorläufig zum Pfleger und ordnete Ergänzungspflegschaft mit folgenden Wirkungskreisen an: Vertretung im Asylverfahren, Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung sowie Vertretung vor Behörden und Gerichten.

Mit Schreiben vom 13.10.1997 zeigte der Kläger dem Landeswohlfahrtsverband Baden, dem Rechtsvorgänger des Beklagten, an, dass dieser vom Bundesverwaltungsamt als überörtlicher Träger der Jugendhilfe bestimmt wurde und beantragte zugleich, die für die Dauer der Inobhutnahme entstandenen Kosten anzuerkennen und zu erstatten.

Am 01.10.1997 beantragte der Pfleger beim – zu diesem Zeitpunkt zuständigen – Bezirksamt Neukölln des Klägers Leistungen zur Hilfe zur Erziehung nach den §§ 27, 34 KJHG (SGB VIII), welche für F. D. mit Bescheid vom 31.10.1997 ab dem 16.09.1997 sowie auf Antrag des Pflegers vom 11.11.1997 mit Bescheid vom 23.12.1997 ab dem 10.12.1997 gewährt wurden. Auf Antrag des F. D. vom 14.02.2000 gewährte ihm das Bezirksamt Neukölln des Klägers Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII für den Zeitraum vom 15.02.2000 bis 14.02.2001. Die Kosten der Inobhutnahme (27.06.1997-15.09.1997) und der Hilfe für junge Volljährige (ab 15.02.2000) wurden vom Rechtsvorgänger des Beklagten anerkannt und erstattet.

Die Erstattung der Kosten für die Hilfe zur Erziehung des F. D. (16.09.1997-14.02.2000) machte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 21.01.2000 beim Rechtsvorgänger des Beklagten geltend. Dieser lehnte eine Kostenerstattung ab, weil dem Pfleger (lediglich) das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen worden sei und dieser deshalb keine Berechtigung gehabt habe, Hilfe zur Erziehung nach dem SGB VIII zu beantragen. Soweit Kostenerstattung für den Zeitraum vom 16.09.1997 bis zum 24.01.1999 begehrt werde, stehe dem Erstattungsanspruch zudem die Ausschlussfrist des § 111 SGB X entgegen, da die Anzeige, mit der dieser Erstattungsanspruch geltend gemacht worden sei, erst am 25.01.2000 beim Rechtsvorgänger des Beklagten einging.

Die am 12.07.2001 erhobene Klage, mit der der Kläger die Erstattung der Kosten für die in der Zeit vom 16.09.1997 bis 14.02.2000 erbrachten Jugendhilfeleistungen begehrt, hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 03.12.2000 – 5 K 1765/01 – abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Zwar sei der Beklagte durch das Bundesverwaltungsamt zum zur Kostenerstattung verpflichteten überörtlichen Träger der Jugendhilfe nach § 89 d Abs. 2 SGB VIII (a.F.) bestimmt worden. Eine Erstattungspflicht bestehe jedoch nur dann, wenn und soweit die Aufgabenerfüllung den Vorschriften des SGB VIII entspreche und mithin rechtmäßig sei. Dies sei jedoch bei den geltend gemachten Jugendhilfeleistungen nicht der Fall. Denn die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Pfleger reiche nicht aus, um anstelle der Eltern Hilfe zur Erziehung zu beantragen. Der Pfleger habe auch keine mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht einhergehende Annexkompetenz, vielmehr verbleibe den Eltern das Recht, Hilfen zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII in Anspruch zu nehm...

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