Rz. 3

Abs. 1 enthält eine Legaldefinition sowohl für den Begriff der Tageseinrichtung als auch den der Kindertagespflege. Danach sind Tageseinrichtungen Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden (Abs. 1 Satz 1). Im Gegensatz dazu wird Kindertagespflege "von einer geeigneten Kindertagespflegeperson in ihrem Haushalt oder im Haushalt des Personensorgeberechtigten geleistet" (Abs. 1 Satz 2). Abs. 1 Satz 3, 4 weisen die Kompetenz für die nähere Ausgestaltung dieser Definitionen und der Entwicklung von Unterscheidungsmerkmalen dem Landesrecht zu und ermöglichen es dem Landesrecht auch, Kindertagespflege in "anderen geeigneten Räumlichkeiten" zu gestatten. Gesetzgeberische Absicht dieser weit gefassten Definition ist es, Raum zu belassen für die Entwicklung weiterer Angebotsformen zwischen Tageseinrichtungen und Kindertagespflege, die ihrerseits eine vergleichbare Qualität aufweisen und andererseits den Strukturen und Bedürfnissen vor Ort besser Rechnung tragen (BT-Drs. 15/3676 S. 31).

 

Rz. 4

Tageseinrichtung und Kindertagespflege stehen als gleichberechtigte Betreuungsformen nebeneinander. Die Erziehungsberechtigten haben zwischen beiden Betreuungsformen ein Wunsch- und Wahlrecht (§ 5). Dabei dürften folgende Erwägungen im Vordergrund stehen:

  • Befindet sich eine geeignete Tageseinrichtung in erreichbarer Nähe?
  • Decken die Öffnungszeiten einer an sich geeigneten Tageseinrichtung den Betreuungsbedarf vollständig ab?
  • Benötigt das Kind die besondere Aufmerksamkeit durch eine Pflegeperson?
  • Sind Gemeinschaftserlebnisse aufgrund der persönlichen Situation des Kindes (z. B. Einzelkind) besonders wichtig?
  • Wie flexibel kann auf Betreuungsbedarf reagiert werden?
  • Bestehen erhöhte Anfälligkeiten für Krankheiten, so dass mit Rücksicht auf die Gesundheit des Kindes Kindertagespflege vorzuziehen ist?
  • Findet sich eine geeignete Kindertagespflegeperson?

2.1.1 Tageseinrichtungen

 

Rz. 5

Anders als in § 22 a. F. enthält Abs. 1 nunmehr keine Aufzählung von Regelbeispielen für Formen von Tageseinrichtungen mehr, sondern nur noch eine allgemeine Definition. Voraussetzung für die Subsumtion unter den Begriff der Tageseinrichtung ist nur der zeitweilige tägliche Aufenthalt in einer geförderten Gruppe. Dies stellt klar, dass es sich nicht etwa um eine Einzelbetreuung handelt, sondern dass mehrere Kinder zusammen betreut und gefördert werden. Dabei kommt es auf die konkrete Aufenthaltsdauer oder die Öffnungszeiten der Einrichtung nicht an (so auch Kaiser, in: LPK, § 22 Rz. 4; a. A. Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 22 Rz. 54, der von einer täglichen Mindestöffnungszeit von 3 Stunden ausgeht). Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass der Gesetzeswortlaut ausdrücklich von "Kindern" spricht. Hierzu enthält § 7 Abs. 1 Nr. 1 eine Legaldefinition. Danach ist Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Die Betreuung in Tageseinrichtungen richtet sich also an Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.

 

Rz. 6

Abzugrenzen sind die Tageseinrichtungen von Heimerziehung. Diese besteht in der Tag-und-Nacht-Betreuung in einer Einrichtung (§ 34 Satz 1).

 

Rz. 7

Auch allgemeine Freizeiteinrichtungen wie Spielplätze, Freizeithäuser, Bolzplätze fallen nicht unter den Begriff der Tageseinrichtung (ähnlich Lakies, in: FK-SGB VIII, § 22 Rz. 4). Gleiches gilt für alle Arten der bloßen Verwahrung ohne entsprechende Förderung oder nur für kurze Zeit (z. B. in Möbelhäusern; so auch Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann SGB VIII, § 22 Rz. 9; Lakies, in: FK-SGB VIII, § 22 Rz. 15) oder Skikindergärten und Gästekindergärten in Ferienorten (so auch Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 22 Rz. 56).

Waldkindergärten sind nur dann als Tageseinrichtung anzusehen, wenn sie wenigstens über eine feste Räumlichkeit, etwa eine Schutzhütte, verfügen, die jederzeit aufgesucht werden kann (so auch Grube, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, § 22 Rz. 56).

 

Rz. 8

Schließlich unterfällt auch die schulische Betreuung, beispielsweise in der (offenen) Ganztagsschule, nicht § 22. Dabei handelt es sich vielmehr um Betreuungsangebote im Rahmen der Schulorganisation der Schulen, vgl. § 10 Abs. 1 (ebenso VG Ansbach, Urteil v. 24.1.2007, AN 14 K 05.03489; Fischer, in: Schellhorn/Fischer/Mann SGB VIII, § 22 Rz. 10). Zur Abgrenzung zwischen schulischer Nachmittagsbetreuung und Betreuung in einer Tageseinrichtung nach § 22 ist das konkrete Betreuungsangebot zu betrachten. Eine Tageseinrichtung liegt dann nicht vor, wenn Schülern nach der Beendigung des Unterrichts durch Fachlehrer die bloße Möglichkeit beaufsichtigter Hausaufgabenanfertigung, der Vertiefung des im Unterricht Gelernten, der Behebung von Wissensdefiziten oder des bloßen Aufenthalts geboten wird (Bay VGH, Beschluss v. 21.12.2015, 12 C 15.2352, Rz. 13). Beschränkt sich die angebotene Betreuung hingegen nicht lediglich auf rein schulische Zwecke, wie Hausaufgabenbetreuung oder Notenverbesserung, sondern ist darüber hinaus ein umfangreiches Zusatzangebot umfasst, welches mindestens zugleich auch der Erreichu...

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