Rz. 60

Die Trennung der Eltern hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf das Sorgerecht. Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu, verbleibt es dabei, solange kein Antrag nach § 1671 Abs. 1 BGB auf alleinige Zuweisung der elterlichen Sorge gestellt wird. Praktisch wichtiger ist die Umsetzung der elterlichen Sorge im Alltag. Hierauf beziehen sich die Regelungen in § 1687 BGB. Bestand vor der Trennung keine gemeinschaftliche elterliche Sorge, verbleibt die elterliche Sorge auch nach der Trennung bei der Mutter. Möglich ist aber – mit Zustimmung der Mutter – eine Übertragung auf den Vater (§ 1672 BGB, vgl. dazu Rz. 77). Zudem regeln §§ 1687a, 1687b BGB die praktisch wichtigen Fragen, welche Befugnisse dem rechtlichen Vater und einem Ehegatten der allein sorgeberechtigten Mutter im Rahmen einer tatsächlichen Betreuung zustehen.

2.2.4.1 Ausübung gemeinsamer Sorge bei Getrenntleben

 

Rz. 61

Grundsätzlich orientiert sich die Ausübung der gemeinsamen Sorge nach Trennung an den Absprachen der Eltern. Innerhalb des Rahmens, den das Kindeswohl vorgibt (§ 1666 Abs. 1 BGB), können die Eltern den Aufenthalt des Kindes bestimmen und die Entscheidungsbefugnisse verteilen. Soweit das nicht möglich ist, gibt § 1687 BGB ein System vor, das auf eine praktikable Handhabung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben ausgerichtet ist (BT-Drs. 13/4899 S. 107).

 

Rz. 62

Für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach Trennung der Eltern enthält § 1687 Abs. 1 BGB eine differenzierende Regelung. In Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung müssen die Eltern sich einigen, d. h. eine gemeinsame Entscheidung treffen (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). Angelegenheiten des täglichen Lebens entscheidet dagegen der Elternteil alleine, bei dem das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund gerichtlicher Entscheidung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB).

 

Rz. 63

Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes geht § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Residenzmodell aus. Danach lebt das Kind überwiegend bei einem Elternteil und unterhält zum anderen Elternteil Umgangskontakte (§ 1684 BGB). Für die Zeit der Umgangskontakte steht dem anderen Elternteil die Befugnis zur Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung zu (§ 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB). Er ist zudem befugt, bei Gefahr in Verzug alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes sofort erforderlich sind (§§ 1687 Abs. 1 Satz 5; 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB). Wählen aber die Eltern ein anderes Modell, bei dem das Kind abwechselnd bei einem Elternteil lebt (Wechselmodell), greifen § 1687 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 BGB zu kurz. In diesen Fällen wechselt die Befugnis zur Entscheidung in Angelegenheiten des alltäglichen Lebens je nachdem, wo sich das Kind gerade befindet (Salgo, in: Staudinger, BGB, § 1687 Rz. 15; Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1687 Rz. 5). Das Wechselmodell beruht auf einer funktionierenden Kooperation der Eltern. Im Streitfall kann es daher familiengerichtlich nicht angeordnet werden (OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.3.2007, 16 UF 13/07; OLG München, Beschluss v. 27.9.2006, 4 UF 270/06).

 

Rz. 64

Angelegenheiten des alltäglichen Lebens betreffen häufig vorkommende Entscheidungen, die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (§ 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die Feststellung, welche Situationen hierunter fallen, richtet sich nicht nach der subjektiven Sicht der Eltern, sondern ist objektiv zu treffen (Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1687 Rz. 11). Danach sind Entscheidungen zum Schulalltag, zur üblichen medizinischen Versorgung (vgl. BGH, Urteil v. 15.2.2000, VI ZR 48/99; BGH, Urteil v. 28.6.1988, VI ZR 288/87), zur üblichen Freizeitgestaltung, zum Umgang mit Freunden und zu Schlafenszeiten als Angelegenheiten des alltäglichen Lebens anzusehen. Ebenso im Bereich der Vermögenssorge die Verwaltung von Geldgeschenken, das Taschengeld und dessen Verwendung im Rahmen von § 110 BGB (Salgo, in: Staudinger, BGB, § 1687 Rz. 48; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1687 Rz. 11).

 

Rz. 65

Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung erfassen Grundsatzentscheidungen, die für die weitere Entwicklung des Kindes von erheblicher Bedeutung sind (Ziegler, in: Weinreich/Klein, FamR, § 1687 Rz. 3; Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1687 Rz. 7). Solche Entscheidungen sollen von den Eltern gemeinsam getroffen werden, damit in den Abwägungsprozess die durchaus unterschiedlichen Sichtweisen auf Sozialverhalten, Begabungen, Fähigkeiten, soziales Umfeld und zukünftigen Aussichten des Kindes einfließen können. Auf dieser Grundlage sind Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung, insbesondere die Wahl der Schulart und der Schule sowie die Entscheidung über einen Schulwechsel oder Internatsaufenthalt (BVerfG, Beschluss v. 4.12.2002, 1 BvR 1870/02; OLG München, Beschluss v. 13.7.1998, 12 WF 966/98), die grundsätzliche Entscheidung über den Aufenthalt des Kindes bei einem Elternteil sowie die Absicht, den Aufenthaltsort zu wechseln (vgl. dazu Rz. 11 und OLG Dresden, Beschluss v. 15.10.2002, 1...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge