Rz. 21

Nach § 17 Abs. 2 sind die Eltern im Fall der Trennung oder Scheidung bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzeptes für die Wahrnehmung elterlicher Sorge und elterlicher Verantwortung zu unterstützen. Die Änderung der Vorschrift durch das BKiSchG passt den Wortlaut an die Diktion des § 156 FamFG an. Es wird klargestellt, dass die Beratung und Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts sich nicht nur auf die Wahrnehmung der elterlichen Sorgr sondern auch auf Streitfälle der elterlichen Verantwortung (z. B. zum Umgangsrecht) bezieht. Darüber hinaus wird präzisierend zum Ausdruck gebracht, dass eine mit Untertützung der Kinder- und Jugendhilfe entwickelte einvernehmliche Regelung nicht nur Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung, sondern auch für einen Vergleich im familiengerichtlichen Verfahren sein kann (BT-Drs. 17/7522 S. 27 f.). Während die Beratung darauf ausgerichtet ist, Anregungen für die Entscheidungsfindung der Eltern zu geben, umfasst die Unterstützung zusätzlich eine aktive Vermittlung zwischen den entgegengesetzten Interessen der Eltern (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 34).

 

Rz. 22

Diese Funktion ist von besonderer Bedeutung, wenn sich die Eltern nicht von sich aus an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe wenden, sondern ihnen quasi eine Zwangsberatung auferlegt wird. Nach §§ 21, 156 Abs. 1 FamFG kann das Familiengericht nämlich ein Sorgerechtsverfahren aussetzen, wenn zwar keine Beratungsbereitschaft der Eltern vorhanden ist, aber nach der freien Überzeugung des Gerichts Aussicht auf eine einvernehmliche Regelung besteht. Zwar kann mit der Aussetzung des Verfahrens kein Elternteil gezwungen werden, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Die Verweigerungshaltung eines Elternteils ist aber als Indiz für eine nicht sachgerechte Wahrnehmung elterlicher Sorge und damit fehlender Erziehungseignung anzusehen (OLG Zweibrücken, Beschluss v. 23.11.1999, 5 UF 88/99, FamRZ 2000 S. 627; Tillmanns, in: Münchener-Kommentar, BGB, § 17 SGB VIII Rz. 13). In dieser Situation stellt die Beratung und Unterstützung besondere Anforderungen an die Fachlichkeit, da einerseits zunächst das Interesse der Eltern an einer Zusammenarbeit geweckt werden muss, während andererseits das Verfahren im Kindesinteresse unter einem Zeitdruck steht (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 43; Bäumel, in: Weinreich/Klein, FamR, § 52 FGG Rz. 3). Dieser Druck wird von der Beratung und Unterstützung nach § 17 genommen, wenn das Familiengericht eine einstweilige Anordnung nach § 156 Abs. 3 FamFG zur vorübergehenden Regelung des Sorgerechtsverfahrens erlassen hat. Ggf. kann der Träger öffentlicher Jugendhilfe den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen seiner Beteiligung nach § 162 Abs 2 FamFG anregen (vgl. § 50 Abs. 3 SGB VIII).

 

Rz. 23

Bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung elterlicher Sorge ist das Kind oder der Jugendliche angemessen zu beteiligen. Das entspricht dem materiellen Kindschaftsrecht und dem Kindschaftsverfahrensrecht. Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB kann eine einvernehmliche Regelung der Eltern nicht ohne Weiteres umgesetzt werden, wenn ein Kind widerspricht, das das 14. Lebensjahr vollendet hat (vgl. Rz. 50). Widerspricht ein noch nicht 14 Jahre altes Kind, gibt dies Anlass zur Prüfung, ob eine Kindeswohlgefährdung gegeben ist. Zudem ist das Kind nach § 159 FamFG in Verfahren, die die elterliche Sorge betreffen, gerichtlich anzuhören. Da das Sorgerechtskonzept so ausgearbeitet sein soll, dass es Grundlage einer richterlichen Entscheidung sein kann (§ 17 Abs. 2 HS 2), müssen die Anforderungen an die Ermittlung und Beteiligung des Kindeswillens beachtet werden. Die angemessene Beteiligung richtet sich zum einen nach dem Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen (§ 8 Abs. 1 Satz 1) und zum anderen nach den zu klärenden Problemen. Das Kind oder den Jugendlichen an der Erörterung tiefgehender seelischer Verletzungen oder Kommunikationsstörungen der Eltern zu beteiligen, ist im Regelfall im Interesse des Kindeswohls wenig sinnvoll. Zudem darf das Kind oder der Jugendliche nicht in eine Schiedsrichterposition gebracht werden, die zu einer dauerhaften seelischen Belastung werden kann (Struck, in: Wiesner, SGB VIII, § 17 Rz. 27; Tillmanns, in: Münchener-Kommentar, BGB, § 17 SGB VIII, Rz. 10).

 

Rz. 24

Inhaltliche Vorgaben für die Gestaltung des Sorgerechtskonzepts ergeben sich allein aus dem rechtlichen Rahmen, der durch die Regelungen des BGB vorgegeben ist. Es besteht daher kein Vorrang einer gemeinsamen Wahrnehmung elterlicher Sorge (vgl. Rz. 10 f.), auch wenn dieses Modell am besten geeignet ist, dem Kind oder Jugendlichen eine möglichst intensive Beziehung zu beiden Eltern zu garantieren. Die für eine gemeinsame Wahrnehmung elterlicher Verantwortung notwendige Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft (vgl. Rz. 28) wird aber nicht immer erreicht werden können. Wesentlich ist deshalb, losgelöst von ideologisc...

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