Rz. 49

Die biologische Vaterschaft ist für die rechtliche Zuordnung eines Mannes zu einem Kind und damit für die Begründung elterlicher Sorge unbedeutend, solange keiner der in § 1592 BGB genannten Tatbestände erfüllt ist. Da die rechtliche Zuordnung nach § 1592 Nr. 2 BGB (Anerkennung) grundsätzlich von der Zustimmung der Mutter abhängig ist (§ 1595 Abs. 1 BGB), kann der biologische Vater nur im Wege einer Vaterschaftsfeststellungsklage, die gegen das Kind zu richten ist (§§ 1600d Abs. 1, 1600e Abs. 1 Satz 1 BGB), seine Stellung als rechtlicher Vater erzwingen. Dieser einzige Weg ist ihm aber versperrt, wenn eine rechtliche Zuordnung nach § 1592 Nr. 1, Nr. 2 BGB bereits besteht (§ 1600d Abs. 1 BGB), d. h. die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war oder ein anderer Mann mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft wirksam anerkannt hat. In diesen Konstellationen fallen biologische und rechtliche Vaterschaft auseinander.

 

Rz. 50

Das ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zwar steht auch der bloß biologische Vater unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, der Gesetzgeber darf aber den Interessen des Kindes und der rechtlichen Eltern am Erhalt eines bestehenden sozialen Familienverbandes den Vorrang einräumen (BVerfG, Urteil v. 9.4.2003, 1 BvR 1493/96 zu C, I, 5). Etwas anderes gilt aber, wenn der rechtliche Vater keine soziale Familie mit dem Kind und der Mutter bildet, weil er seit Jahren mit seiner Ehefrau nicht mehr zusammenlebt oder die Vaterschaftsanerkennung nur aus Gefälligkeit erfolgte, damit die Mutter das Elternrecht mit dem biologischen Vater nicht teilen muss. Ein solches Interesse der Mutter ist durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht geschützt (BVerfG, Urteil v. 9.4.2003, 1 BvR 1493/96 zu C, I, 6).

 

Rz. 51

Der Gesetzgeber hat deshalb in § 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 BGB ein Vaterschaftsanfechtungsrecht des Mannes geschaffen, der eidesstattlich versichert, der Mutter während der Empfängniszeit (§ 1600d Abs. 3 BGB) beigewohnt zu haben. Diese Anfechtung hat Erfolg, wenn zwischen dem Kind und dessen rechtlichem Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht und der Anfechtende tatsächlich der biologische Vater ist (§ 1600d Abs. 2 BGB). Eine sozial-familiäre Beziehung ist gegeben, wenn der rechtliche Vater eine tatsächliche Verantwortung für das Kind trägt (§ 1600d Abs. 3 Satz 1 BGB). Das ist im Regelfall anzunehmen, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter verheiratet ist oder längere Zeit mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat (§ 1600 d Abs. 3 Satz 2 BGB). Dem biologischen Vater steht aber zu, diese auf Lebenserfahrung beruhende Annahme zu widerlegen, indem er beispielsweise darlegt und beweist, es handele sich nur um eine Scheinehe (BGH, Urteil v. 6.12.2006, XII ZR 164/04). Damit ist dem biologischen Vater das Recht eingeräumt, den rechtlichen Vater zu beseitigen und diese Position selbst einzunehmen. Denn die erfolgreiche Anfechtung des biologischen Vaters hat seine rechtliche Vaterschaft zur Folge (§ 1592 Nr. 3, 2. Fall BGB; § 640h Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die verfassungsrechtlich geschützten Interessen des biologischen Vaters sind auf diese Weise hinreichend gewahrt (BGH, Urteil v. 6.12.2006, XII ZR 164/04).

 

Rz. 52

Kann der biologische Vater auf diesem, wohl eher selten erfolgreichen Weg, seine rechtliche Zuordnung zum Kind erzwingen, ist damit aber noch kein Sorgerecht begründet. Es gelten vielmehr die dargestellten Grundsätze. Ohne Entgegenkommen der Mutter wird er nicht sorgeberechtigten Vätern gleich stehen.

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