0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift trat mit Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zum 1.1.2005 (Art. 70 Abs. 1 des genannten Gesetzes) in Kraft. In Abs. 2 wurde Satz 2 zum 7.12.2006 eingefügt durch Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 2.12.2006 (BGBl. I S. 2670). Die Neuregelung geht auf einen Vorschlag des Bundesrats zurück (BR-Drs. 16/2711 S. 18). Danach sollen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auch als Darlehen gewährt werden können.

Als Hilfe zur Selbsthilfe soll die Sozialhilfe alle Betroffenen so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben (§ 1 Satz 2). Dies kann allerdings nur gelingen, wenn der Hilfesuchende in der Lage ist oder in die Lage versetzt werden kann, seine finanzielle Notlage selbst zu überwinden. Alte, kranke und behinderte Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht (mehr) erwerbstätig sein können, sind – wenn die eigenen Einkünfte nicht ausreichen, um ihr Existenzminimum zu sichern – dauerhaft auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen. Die Sozialhilfe, die als Übergangslösung für akute Notlagen konzipiert ist, wandelt sich in diesen Fällen faktisch zu einer rentengleichen Dauerleistung (sog. Fürsorgerente) um. Dadurch besteht die Gefahr, dass die generellen Eigenvorsorge-, Mitwirkungs- und Selbsthilfepflichten Erwerbsfähiger in der Öffentlichkeit nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden.

 

Rz. 2

Auf der anderen Seite erreicht die Sozialhilfe nicht alle Bedürftigen. Manche kennen ihre Rechte nicht; viele scheuen den Weg zum Sozialamt, weil den Sozialbehörden noch immer das Odium der Armenhilfe und sozialen Deklassierung anhaftet. Vor allem aber die Furcht, die eigenen Kinder könnten für die Unterhaltsleistungen der Sozialhilfe herangezogen werden (sog. Unterhaltsrückgriff), hielt insbesondere ältere Menschen davon ab, Sozialhilfe zu beantragen. Eine aufspürende aktive Sozialhilfe, die die Bedürftigen selbst ermittelt, war stark unterentwickelt. Es entstand das Phänomen versteckter bzw. verschämter (Alters-)Armut.

 

Rz. 3

Deshalb vereinbarten die Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die GRÜNEN im Koalitionsvertrag v. 20.10.1998, eine "bedarfsorientierte soziale Grundsicherung" einzuführen. Im Laufe der Legislaturperiode wurde immer deutlicher, dass das Rentenniveau – aufgrund der demographischen Entwicklung, der anhaltenden Massenarbeitslosigkeit und der steigenden Anzahl sog. prekärer Arbeitsverhältnisse ("Prekariat") – in Zukunft sinken werde; denn Dauerarbeitslosigkeit führt zwangsläufig zu Einbrüchen in der Rentenbiographie. Ähnlich wirken die Versuche, dem Problem der Arbeitslosigkeit durch versicherungsfreie Beschäftigung und Selbständigkeit beizukommen (Loose/Thiede, RVaktuell 2006 S. 479, 481 f.; Mrozynski, SGB I, § 28a Rz. 1). Deshalb leiteten die Bundesregierung und die Regierungsfraktionen den Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge (sog. Riester-Rente) ein. Im Entwurf eines Altersvermögensgesetzes (BT-Drs. 14/4595 und inhaltsgleich BR-Drs. 764/00) planten sie allerdings keine eigenständige "soziale bedarfsorientierte Grundsicherung". Stattdessen sollte lediglich das BSHG modifiziert und der Unterhaltsrückgriff auf Kinder und Eltern abgeschafft werden, wenn der Bedürftige das 65. Lebensjahr vollendet hatte oder dauerhaft voll erwerbsgemindert war.

 

Rz. 4

Der Bundesrat unterstützte diese "Initiativen zur Verhinderung und Bekämpfung verdeckter Armut". Er bat jedoch zu prüfen, ob "diese Zielsetzung nicht effektiver durch ein gegenüber dem BSHG vorrangiges Leistungsgesetz des Bundes zu erreichen ist" (BT-Drs. 14/5068 S. 11; vgl. auch Klingbeil, DAngVers 2002 S. 129, 133). Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung nahm diese Anregung auf und empfahl, ein eigenes Grundsicherungsgesetz zu schaffen (BT-Drs. 14/5146 S. 4, 153 bis 156; Art. 8a Altersvermögensgesetz mit eingehender Begründung in: BT-Drs. 14/5150 S. 48). Am 26.1.2001 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG). Da der Bundesrat diesem Gesetz zunächst nicht zustimmte (BT-Drs. 14/5383), rief die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss an (BT-Drs. 14/5367). Dieser empfahl unter anderem, den Rückgriff auf unterhaltspflichtige Kinder mit hohem Einkommen ab 100.000,00 EUR bestehen zu lassen (BT-Drs. 14/5970 S. 16). Daraufhin wurde das GSiG als Art. 12 des Altersvermögensgesetzes v. 26.6.2001 (BGBl. I S. 1310, 1335) verabschiedet. Es trat am 1.1.2003 in Kraft.

 

Rz. 5

Nach dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch v. 5.9.2003 (BT-Drs. 15/1514) sollte das GSiG als eigenständiges Leistungsgesetz bestehen bleiben und lediglich redaktionell angepasst werden (vgl. BT-Drs. 15/1514 S. 47 und 77). Derselben Ansicht war der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (vgl. BT-Drs. 15/1734 S. 98 und BT-Drs...

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